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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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war.«
    »Nein,
danke.«
    »Ich
schätze, er will bloß wissen, wann ihr zwei euch mal wieder treffen könnt.«
    »Ich weiß
nicht, wie ich dir das begreiflich machen soll, Jackie: Ich schere mich einen
feuchten Kehricht darum, was Kevin will. Aber wenn sich rausstellt, dass du
recht hast und er wissen will, wann wir uns mal wieder treffen, kannst du ihm
von mir bestellen, mit lieben Grüßen und einem dicken Kuss: nie. Okay?«
    »Ach,
Francis, hör auf. Du weißt, dass du das nicht ernst meinst.«
    »Doch.
Glaub mir, Jackie, ich meine es ernst.«
    »Er ist
dein Bruder.«
    »Und
soweit ich das beurteilen kann, ist er ein sehr netter Kerl, der ganz bestimmt
in seinem großen Freundes- und Bekanntenkreis beliebt ist. Aber ich gehöre
nicht dazu. Meine einzige Verbindung zu Kevin war ein Unfall der Natur, der uns
für ein paar Jahre in ein und dasselbe Haus verschlagen hat. Jetzt, da wir dort
nicht mehr wohnen, hat er nichts mit mir zu tun, genauso wenig wie der Typ da
drüben auf der Bank. Das Gleiche gilt für Carmel, das Gleiche gilt für Shay,
und das Gleiche gilt eindeutig für Ma und Dad. Wir kennen uns nicht, wir haben
absolut nicht das Geringste gemeinsam, und ich sehe nicht einen Grund auf
Gottes grüner Erde, warum wir uns zu Tee und Gebäck treffen sollten.«
    Jackie
sagte: »Jetzt mach aber mal halblang, ja. Du weißt genau, dass das nicht so
einfach ist.«
    Das Handy
klingelte wieder. »Doch«, sagte ich. »Ist es.«
    Sie
stupste mit einer Schuhspitze gegen letzte Laubreste und wartete, bis das Handy
ausgeklingelt hatte. Dann sagte sie: »Gestern hast du gesagt, du würdest uns
die Schuld daran geben, dass Rosie dich verlassen hat.«
    Ich nahm
einen langen Atemzug und ließ meine Stimme heiterer klingen. »Dir kann ich wohl
kaum die Schuld geben, Kleines. Du warst gerade erst aus den Windeln raus.«
    »Ist das
der Grund, warum es dir nichts ausmacht, mich zu sehen?«
    Ich sagte:
»Ich glaube nicht, dass du dich überhaupt an die Nacht erinnern kannst.«
    »Ich habe
Carmel gestern gefragt, hinterher ... Ich kann mich bloß an Bruchstücke
erinnern. Es war so oft was mit Dad, da wirft man die Zeiten durcheinander,
kennst du bestimmt.«
    Ich sagte:
»An das eine Mal damals erinnere ich mich kristallklar.«
    Es war
fast drei Uhr morgens gewesen, als mein Kumpel Wiggy im Club Feierabend hatte
und zum Parkplatz kam, um mir ein paar Scheine zu geben und den Rest seiner
Schicht zu übernehmen. Ich ging nach Hause, durch letzte Grüppchen von
lärmenden, schwankenden Kneipengängern, pfiff leise vor mich hin, träumte von
morgen und bedauerte jeden Mann, der nicht an meiner Stelle war. Als ich um die
Ecke in den Faithful Place bog, schwebte ich auf Wolke sieben.
    Ich wusste
auf Anhieb, spürte es in den Achselhöhlen, dass irgendwas passiert war. Die
Hälfte der Fenster auf der Straße, einschließlich unseren, war erleuchtet. Wenn
man vorne an der Straße still stehen blieb und lauschte, konnte man hinter
ihnen das Stimmengewirr hören, angespannt und in heller Aufregung.
    Die Tür zu
unserer Wohnung hatte ganz neue Dellen und Kratzspuren. Im Wohnzimmer lag ein
Küchenstuhl verkehrt herum vor einer Wand, die Beine abgeknickt und
gesplittert. Carmel, die auf dem Boden kniete und über einem verschossenen
Blümchennachthemd einen Mantel trug, fegte mit Kehrblech und Handfeger
Porzellanscherben auf. Ihre Hände zitterten derart heftig, dass ihr immer
wieder Stücke herunterfielen. Ma saß schwer atmend in einer Ecke des Sofas und
betupfte sich eine geplatzte Lippe mit einem nassen Waschlappen. Jackie lag
zusammengerollt in der anderen Ecke, Daumen im Mund. Kevin saß im Armsessel und
starrte ins Leere. Shay lehnte an der Wand, trat von einem Bein aufs andere,
die Hände tief in den Taschen vergraben. Er hatte wilde weiße Ringe um die
Augen, wie ein in die Enge getriebenes Tier, und wenn er atmete, blähten sich
die Nasenflügel. Er würde bald ein prächtiges blaues Auge haben. Aus der Küche
konnte ich hören, wie mein Dad sich laut würgend in die Spüle übergab.
    Ich sagte:
»Was ist passiert?«
    Sie fuhren
alle zusammen. Fünf Augenpaare richteten sich auf mich, riesig und starr, ohne
den geringsten Ausdruck. Carmel hatte geweint.
    Shay
sagte: »Dein Timing ist Spitze.« Niemand sonst sagte ein Wort. Nach einer Weile
nahm ich Carmel Kehrblech und Handfeger aus den Händen, führte sie sachte zum
Sofa zwischen Ma und Jackie und fegte die Scherben auf. Eine ganze Weile
danach änderten sich die Geräusche aus der

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