Frisch verliebt - Mallery, S: Frisch verliebt
könnte. Ein Mann, Kinder, eine Familie.
„Ich vermisse es zu spielen. Aber diesmal will ich mehr für mein Leben.“
„Dann mach es wahr. Liegt das nicht ganz an dir?“
„Nicht nach Ansicht meiner Managerin.“
„Dann such dir eine neue.“
Einfach so, dachte sie und wusste, dass er es an ihrer Stelle höchstwahrscheinlich tun würde. „Seit ich zwölf war, bin ich bei Lisa. Das ist über die Hälfte meines Lebens.“
„Es ist eine rein geschäftliche Angelegenheit“, redete er ihr zu. „Du musstest dich davonstehlen, um Zeit zu haben, dich um Nicole zu kümmern. Du hast alle Fäden aus der Hand gegeben. Willst du, dass es so weitergeht?“
Das Leichteste wäre jetzt, auf ihn wütend zu sein, aber er sprach ja nur die Wahrheit aus. Sie hatte zugelassen, dass Lisa ihr Leben dirigierte, weil das einfacher war, als es selbst zu tun.
„Ich habe mich nie wirklich für das eingesetzt, was ich wollte“, sagte sie langsam. „Warum das so ist, kann ich gar nicht mal sagen. Nie habe ich irgendwelche Forderungen gestellt. Kein besonderes Essen in meiner Garderobe, keine bestimmten Blumen. So etwas brauche ich auch nicht. Aber ich habe Lisa auch die wichtigsten Entscheidungen überlassen, nämlich, was meine Zeit angeht und mein Talent. Ich bin jetzt achtundzwanzig Jahre alt. Sollte ich da nicht etwas erwachsener sein?“ Sie seufzte. „Gib acht, was du dazu sagst. Da bin ich verwundbar.“
„Du bist erwachsen. Du warst bisher nur faul. Das ist alles. Nimm dir vor, es in Zukunft anders zu machen.“
Schön wär’s, dachte sie. „Wie du es sagst, klingt es so leicht.“
„Warum sollte es so schwer sein? Entscheide dich, und dann zieh es durch. Oder mach weiter wie gehabt.“
„Nein, das werde ich nicht tun.“
„Damit hast du bereits den ersten Schritt getan.“
Sie lächelte. „Du klingst so einfühlsam und verständnisvoll. Du willst doch bestimmt nicht, dass das an die große Glocke gehängt wird?“
„Auf keinen Fall.“
„Dann habe ich jetzt etwas gegen dich in der Hand.“
„Dir gefällt es, Macht zu haben, nicht wahr?“ Er sagte es mit einem scherzhaften Ton in der Stimme.
„Wem gefiele das nicht? Macht ist etwas Gutes.“
„In den richtigen Händen“, ergänzte er.
Claire hatte das Gefühl, dass sie dabei waren, wieder einmal das Thema zu wechseln, war sich aber nicht ganz sicher. Ihr war nicht bewusst, dass sie jetzt wieder unter dem Einfluss dieser elektrischen Spannung stand, und ebenso wenig, dass sie ihr letztes bisschen Selbstkontrolle aufbringen musste, um nicht aufzustehen und sich in seine Arme zu werfen.
Sie sehnte sich danach zu fühlen, wie er sie festhielt, und wollte seinen Mund auf ihrem spüren. Er sollte sie küssen, als ob er nicht anders könnte.
Ehe sie aber noch dazu kam, ihre Fantasie in die Realität umzusetzen, hörte sie Fußtritte auf der Treppe. Amy kam ins Studio getrappelt und ging zum Klavier.
„Bitte spiel was für mich“, bat sie.
Claire lachte und hob sie neben sich auf die Bank. „Wie könnte ich da widerstehen? Du bist doch mein Lieblingspublikum.“
Wyatt sah, wie seine Tochter sich bei Claire anschmiegte, dann die Augen schloss und eine Hand oben aufs Klavier legte.
Hört sie überhaupt etwas oder fühlt sie die Musik nur?
Der herrliche Klang erfüllte das Studio, und auch Wyatt konnte die Schwingungen in seinem Körper fühlen. Wie schaffte Claire es nur, so etwas ohne Noten und aus dem Gedächtnis heraus zu kreieren? Wie kam sie zu dieser Begabung? Welche Genkombination oder DNA oder welcher Gott hatte sie auserwählt?
War das überhaupt wichtig? Sie war, wie sie war. Talentiert, temperamentvoll, unwiderstehlich. Gefährlich. Er hatte wahrlich nicht vor, sich auf irgendetwas einzulassen, aber er fühlte sich mehr und mehr von ihr angezogen. Sollte er sich nicht lieber aus dem Staub machen, solange das noch relativ leicht war?
Aber anstatt sich diese Frage zu beantworten, lenkte er seine Aufmerksamkeit auf Amy, seine hübsche Tochter. Der Gedanke, dass irgendein Teil von ihr zerstört werden sollte, tat ihm weh, aber dennoch wusste er, dass er ihr nicht abschlagen konnte, worum sie ihn bat. Der Kompromiss bestand drin, dass sie es nur in einem Ohr machen lassen würden, damit das andere noch für eine zukünftige Technik verfügbar blieb. Heute hatte sie den Wunsch zu hören, wie Claire Klavier spielte. Mit der Zeit würde sie mehr von der Welt hören wollen. Das Lachen einer Freundin. Die Stimme eines Mannes. Das Schreien
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