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Frischluftkur: Roman (German Edition)

Frischluftkur: Roman (German Edition)

Titel: Frischluftkur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Rick
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große Tanzfläche hämmern dumpfe Beats, dazu fordern diverse Stimmen auf, man möge etwas schütteln. In einem Song den Po, dann den Kopf und im nächsten heißt es »shake your balla-balla«, was immer das sein mag.
    Christiane schüttelt den Kopf, nachdem sie die Menge gescannt hat. Hinten rechts die Rocker, hinten links die Rapper und Skater, auf der Tanzfläche ein paar Mädchen in bauchfrei, die wahlweise Babyspeck oder Cellulite vibrieren lassen. »Kein Marco in Sicht.«
    »Ritschie kann ich auch nicht entdecken«, sagt Helga. Ihr wird ein wenig heiß in den Stiefeln und der doppellagigen Strumpfhosen-Konstruktion. Sie erwägt, noch ein paar Löcher hineinzureißen.
    Über ihnen flirrt die Lasershow. Aus zitternden Lichtstrahlen formen sich Gitter über den Tanzenden, werden zu unwirklichen Eisbechern mit Schirmchen und den unvermeidlichen Palmen. In den Achtzigern waren diese Effekte der große Hit, von weit her kamen die Ausgehwilligen ins Paradise Island, Mutterns Rat in den Ohren: »Guck da nicht rein, da kannst du blind von werden!«
    Im Raum mit der kleinen Tanzfläche läuft heute dumpfes Umpf-Umpf-Umpf. Techno. Oder was der Provinz-DJ dafür hält. Helga ist enttäuscht, sie hatte auf coolen Achtziger-Jahre-Sound oder wenigstens etwas von Marylin Manson gehofft. Das Programm hier ist nämlich äußerst abwechslungsreich, fast vergleichbar mit der Themenvielfalt der Vorträge beim Landfrauenverein. Auf Songs von ihrer neuen Lieblingsband mit dem Namen The Smiths, eine Entdeckung aus dem Internet, hat sie trotzdem nicht zu hoffen gewagt. Sie hat das Gefühl, dass sie der einzige Mensch auf der Welt ist, der The Smiths kennt. Das geht ihr bei Sachen, die sie aus dem Internet fischt, oft so – obwohl ihr natürlich klar ist, dass das nicht stimmt. Aber das Internet ist für sie ihre ganz persönliche Welt. Die andere Welt die außerhalb des Dorfes. Seltsamerweise fühlt sie sich im Internet allein. Sie weiß, dass da auch andere surfen, dass sie diese Sphäre mit Millionen von Menschen teilt. Aber sie fühlt sich einsam darin. Sie entdeckt unendlich tolle Dinge, die sie mit niemandem teilen kann, zumindest nicht mit Christiane. Selbst wenn sie chattet, hat sie das Gefühl, sie würde nicht wirklich mit anderen Menschen kommunizieren. Aber die Idee der Einsamkeit im Internet gefällt ihr auch, irgendwie. Sie mag die Melancholie, die sie angesichts der flashigen Screen-Designs überkommt.
    Niemand versteht mich, niemand hat meinen Geschmack und niemand fühlt meine Gefühle , denkt Helga. Genau das ist die Botschaft von The Smiths , und deshalb liebt sie die Lieder so. Total retro, das ist ihr klar, aber diese Musik ist eben etwas Besonderes. Ritschie würde das bestimmt verstehen. Sie umklammert die CD mit Songs von The Smiths, die sie gebrannt hat, extra für ihn. Die will sie ihm geben.
    Aber leider: Keine Spur von Ritschie. Von Marco auch nicht.
    Helga und Christiane schlendern zurück zur Kneipenmeile, vorbei an zerfledderten Kunstpalmen, vorbei an Monique, die in einer dunklen Ecke mit dem Flexi-Stab-Trainer tuschelt, den sie auf der Messe Du & Deine Welt kennen gelernt hat. Vorbei an zwei Gogo-Girls in Käfigen, die gerade Pause machen und sich durch die Stäbe hindurch laut über die Vor- und Nachteile von Heißwachs und Epiliergeräten unterhalten.
    Plötzlich stößt Christiane einen lauten Schrei aus, als hätte sie etwas Grauenvolles in den Tiefen des Raumes entdeckt. Der Schrei geht jedoch in ein schrilles Kichern über, unterbrochen von dem Befehl: »Los, Hell, tu so, als hättest du etwas Lustiges gesagt!«
    »Hä, wieso das denn? Ich sage nie etwas Lustiges!«
    »Ja, wirklich? Das ist ja so amüsant!«, quietscht Christiane und dreht sich einmal um die eigene Achse, so gut das eben auf dem Kopfsteinpflaster geht.
    Jetzt begreift Helga, was Christiane eben gesehen hat: Marco nähert sich. Als er Christiane entdeckt, leuchten seine Augen. Er geht direkt auf sie zu und fragt: »Möchtest du etwas trinken?« Den Spruch hatte Helga auch im Internet gelesen und ebenfalls verworfen. Zu platt.
    »Ja, gerne«, haucht Christiane. »Aber nur Cola.« Marco geht zum nächsten Tresen und kommt mit zwei Colaflaschen wieder. In beiden stecken Flitterpalmen, in die Strohhalme integriert sind. Er gibt Christiane eines der dekorierten Getränke und prostet ihr zu. Helga beachtet er überhaupt nicht.
    »Hell wollte eh gerade nach hinten gehen und bei der Miss-Wet-T-Shirt-Wahl mitmachen«, behauptet

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