Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
einfach seine ganze Existenz auf diese kommende Ernte, und er verlor den Einsatz, wenn die Erde sich weigerte, seine Kulturarbeit damit zu belohnen. Aber er war der treue Gläubige, der sicher war zu siegen, weil er liebte und weil er wollte. Mit seinem letzten Kinde hatte sich diese Schöpferkraft bei ihm geoffenbart und war seither in außerordentlichem Maße gewachsen. Wenn man ihm in bezug auf seinen tollen Traum von Chantebled Eigensinn vorwarf, so antwortete er lachend, daß er tatsächlich einen guten Lehrer für Willensstärke abgeben würde, Arbeiten, schaffen wurde ihm zur Leidenschaft. Und eines Morgens hatte er Marianne zum Lachen gebracht, als er entdeckte, wieso und warum sie beide so viel Kinder wünschten und bekamen. War nicht auch das Energie, Willensbetätigung, lebende und menschliche Tat, und die mächtigste von allen, die sieghaft das Leben erweiterte?
    »Nun, so sei’s denn!« rief er beherzt. »Möge die Erde uns eine gute Mutter sein!«
    Und er führte den ersten Spatenstich. Dies geschah links von dem ehemaligen Jagdpavillon, in einer Ecke des weiten Sumpfterrains, in welches sich zahlreiche Quellen ergossen, und wo nichts anders wuchs als Schilf. Es handelte sich vorerst darum, einige Hektar zu entwässern, indem man diese Quellen faßte und in Kanäle leitete, um sie sodann über die trockenen und sandigen Hänge fließen zu lassen, die sich bis zur Eisenbahnlinie herabsenkten. Dank einem genauen Studium hatte er gefunden, daß diese Arbeiten leicht ausführbar sein würden, daß es bloß einiger Entwässerungsgräben bedürfe, deren Anlage durch die Natur des Terrains erleichtert war. Dies war seine eigentliche Entdeckung, abgesehen von seiner festen Überzeugung, daß sich eine gewaltige Humusschichte auf dem Plateau angesammelt haben müsse, und daß der Boden eine enorme Fruchtbarkeit entwickeln werde, sobald nur erst der Pflug darüber werde hingegangen sein. Mit seinem Spatenstiche vollführte er daher die symbolische Tat des Entdeckers und des Pioniers, er begann den Durchbruch, öffnete den gefangenen Quellen einen Ausweg, um das sumpfige Hochplateau zu assanieren und gleichzeitig die kahlen, unfruchtbaren, verdursteten Gelände unten zum Leben zu erwecken.
    Jetzt fing Gervais, den die freie Luft offenbar hungrig gemacht hatte, zu schreien an. Er war gegenwärtig dreieinhalb Monate alt, ein kräftiger Junge, der in bezug auf die Stunde seiner Mahlzeiten nicht mit sich spaßen ließ. Er wuchs wie einer der jungen Bäume des benachbarten Waldes in blühender Gesundheit unter der hellen Sonne auf; er hatte kleine Fäustchen, die nicht losließen, was sie einmal erfaßt hatten, glänzende Augen, welche lächelten und weinten, und vor allem ein feinschmeckerisches, stets offenes Schnäbelchen, das einen Sturm entfesselte, wenn die Mutter es warten ließ.
    »Ja, ja, ich weiß, daß du da bist. Da, da hast du, schrei uns nicht die Ohren voll!«
    Sie hatte ihr Kleid geöffnet und ihm die Brust gereicht. Und man hörte nur noch das behagliche Schnurren des Kindes, das mit atemloser Gier sog, fest auf die weiße Haut drückte, um mehr zu bekommen. Die segenspendende Quelle hatte wieder zu fließen begonnen, unerschöpflich. Die Milch rieselte mit leisem Glucksen immerfort, und es war, als hörte man sie herabrinnen und sich ausbreiten, während Mathieu fortfuhr, den Durchbruch zu graben, unter Mithilfe der beiden Arbeiter, kräftiger Männer, die in solcher Arbeit erfahren waren.
    Jetzt richtete er sich auf und sagte, sich die Stirn wischend, in seiner ruhigen, festen Art: »Das Handwerk muß gelernt werden wie ein andres. In einigen Monaten werde ich nur noch ein Bauer sein … Sieh hier dieses stehende Wasser, dessen Fläche mit Pflanzen bedeckt ist. Die Quelle, von der es gespeist wird, und die eine Pfütze daraus macht, entspringt da, unter diesem dichten Gebüsch. Und wenn der Graben durchgestochen sein wird, bis an den Rand des Abhanges dort drüben, so wirst du sehen, wie der Sumpf austrocknet, die Quelle zum Vorschein kommt und ihren Weg nimmt, um das wohltätige Wasser in die Ferne zu tragen.«
    »Ach ja,« sagte Marianne, »wenn sie nur alle diese Steinfelder befruchten würde, denn nichts ist trauriger als toter Boden. Wie werden die Felder glücklich sein, wenn sie endlich ihren Durst löschen und aufleben können!«
    Sie unterbrach sich, um Gervais lachend auszuschelten: »Heda, junger Herr, wollen Sie wohl nicht so stark saugen? Warte doch, bis es kommt, du weißt ohnehin,

Weitere Kostenlose Bücher