Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fruchtbarkeit - 1

Fruchtbarkeit - 1

Titel: Fruchtbarkeit - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
Austausch weltmännischer Liebenswürdigkeiten, ein sofortiges Einverständnis nach den ersten Blicken; und es wurde für die nächste Woche eine Zusammenkunft bei dem berühmten Chirurgen verabredet. Als er sich verabschiedete, um seinen Rundgang fortzusetzen, reichte er seinem bescheidenen und korrekten Kollegen Mainfroy die Hand und drückte die seine kräftig; das Geschäft war abgeschlossen. Cécile weinte noch immer, das Gesicht in ihre Haare vergraben. Sie antwortete nichts, hörte nichts mehr. Man mußte sie in Ruhe lassen.
    »Sie sind also entschlossen, wie ich sehe,« sagte Mathieu zu Sérafine, als er mit ihr den Saal verließ. »Es ist eine ernste Sache.«
    »Was wollen Sie? Ich leide zuviel,« antwortete sie ruhig. »Und dann läßt mir dieser Gedanke keine Ruhe mehr, ich muß ein Ende machen.«
    Vierzehn Tage später wurde Sérafine in einem Sanatorium operiert, welches in der Rue de Lille von Nonnen gehalten wurde. Es war eine Art von Kloster, von Gärten umgeben, wo Gaude, inmitten eines jungfräulichen Friedens, die kastrierte, die er seine »großen Damen« nannte. Er ließ sich nur von Sarraille assistieren, dessen zwischen den Schultern sitzender Kopf mit dem Stiergesicht, mit dem schwachen Barte und den starren, an den Schläfen klebenden Haaren den Damen durchaus nicht gefiel; aber er wußte, daß er an ihm einen treuen Hund besaß, einen energischen Menschen, der sich gegen den Widerwillen empörte, den er einflößte, und der in seiner brennenden Erfolgsucht zu allem bereit war, was man von ihm verlangte. Natürlich gelang die Operation ausgezeichnet, ein wahres Wunder an Leichtigkeit und Geschicklichkeit, das Organ wurde herausgenommen, war fortgeschafft, verschwunden wie unter den flinken Händen eines Zauberkünstlers. Und da sie nicht krank, sondern gesund und im Vollbesitze ihrer Kräfte war, ertrug Sérafine die Operation in wunderbarer Weise, hatte eine sehr rasche Rekonvaleszenz und erschien wieder in der Welt, triumphierend, von Gesundheit strahlend, wie nach der Rückkehr aus einem Alpenbade oder von den Ufern des blauen Meeres. Mathieu, der sie bald darauf sah, war betroffen von ihrer übermütigen Freude; eine solche Glut zügelloser Begierde flammte in ihr, daß ihr goldumrahmtes Gesicht davon brannte; ein solch schamloser Triumph erfüllte sie, endlich unfruchtbar zu sein, sich endlich ohne Furcht hingeben, ersättigen zu können, daß ihre fortwährend suchenden Augen von ihren Nächten erzählten, ihrem der Gasse geöffneten Schlafzimmer, dem Übermaß ihrer vernichtenden Wollust.
    Als Mathieu eines Mittags bei Boutan zu Gaste war, sprachen sie davon. Der Doktor wußte alles und war von diesen Praktiken unterrichtet. Er sprach davon in betrübtem Tone, der allmählich in Zorn überging.
    »Gaude ist wenigstens noch ein Chirurg ersten Ranges, und ich will annehmen, daß er nur der Leidenschaft für seine Kunst nachgibt. Aber wenn Sie wüßten, welcher Kniffe sich die andern bedienen, die, welche durch sein Beispiel gedeckt werden, und welch entsetzliches Unheil sie im Begriffe sind, dem Vaterlande, der Menschheit zuzufügen! Eine Frau so zu kastrieren, wenn nicht eine gebieterische Notwendigkeit vorliegt, ist einfach ein Verbrechen. Es müßte Todesgefahr vorhanden sein, man müßte die Gewißheit haben, daß jedes andre ärztliche Mittel nutzlos ist. Von zwanzig Frauen, die man heute operiert, könnten wenigstens fünfzehn durch sorgfältige Behandlung geheilt werden. Sehen Sie zum Beispiel diese zwei Fälle, die beiden Töchter Moineauds: ich habe Euphrasie behandelt, sie litt zweifellos nur an einer chronischen Entzündung, die freilich sehr schmerzhaft war, die aber durch eine strenge Kur zu heilen gewesen wäre. Und was Cécile betrifft, die ich auch in Behandlung hatte, so ist sie schweren Nervenanfällen unterworfen und hat starke neuralgische Schmerzen gehabt. Blutarme und Nervöse zu operieren, das ist unsinnig, das gehört ins Gefängnis und in den Bagno. Man ist schon dahin gekommen, wie mir erzählt wurde, die Kastration an Tobsüchtigen zu versuchen, um sie zu beruhigen… Was wollen Sie? Dies ist der Wahnwitz des Tages, ein Wahnwitz, der sich, wie mir bedünkt, mit der Gier nach fetten Honoraren gesellt. Von hoch bis niedrig, von groß bis klein schlägt man Geld aus dieser abscheulichen Industrie, die Unfruchtbare fabriziert. Hier eine verheiratete Frau, der man den Leib aufschneidet, ihr, während sie noch in voller Zeugungskraft sich befindet, das Organ des

Weitere Kostenlose Bücher