Fünf
erschien das Bild. Beatrice hörte sich selbst geräuschvoll nach Luft schnappen.
«Was ist denn?» Schnell, zu schnell war Richard neben ihr und erhaschte einen Blick auf ihr Handy. «Oh mein Gott, Bea, was ist das? Ein Mensch? Oder … Ja, doch, das ist ein Arm, Himmel. Wie im Schlachthof.»
Sie befreite sich aus dem Griff, mit dem er ihr Handgelenk festgehalten hatte, um das Foto genauer betrachten zu können. Schlachthof.
«Ich muss weg.» Sie riss ihre Tasche an sich und hastete zum Auto, ohne sich zu verabschieden, ließ den Motor an, dabei glitt ihr das Handy aus den Fingern. Sie hob es auf und wählte Florins Nummer. «Bist du noch im Büro?»
«Nein, ich bin gerade nach Hause gekommen, wieso, soll ich …»
«Ich bin in fünfzehn Minuten bei dir.»
Ein abgetrennter, in Blut schwimmender Mittelfinger auf einer hellen Unterlage neben der verstümmelten Hand. Die frische Wunde, ein blutiger Stumpf. Die Amputationsschnitte am Ring- und am kleinen Finger schienen mehr schlecht als recht zu verheilen. Daumen und Zeigefinger, als einzige verblieben, waren zueinander gekrümmt wie die Hälften einer Krabbenschere. Oder die Spitzen eines Croissants. Beatrice atmete tief ein und aus.
Vergrößert auf Florins Notebook, zeigte das Foto Details, die auf dem kleinen Handybildschirm nicht erkennbar gewesen waren. Eine Zeitung, zum Teil rot durchtränkt, doch der Rest ließ bei einiger Vergrößerung das heutige Datum erkennen.
«Sigart ist noch am Leben.» Es war schwer zu beurteilen, ob Florin das für eine gute oder eine schlechte Nachricht hielt. Er wandte seinen Blick nicht von dem Foto ab, scrollte vom oberen Ende zum unteren, vom linken zum rechten. «Ein Holztisch, die Umgebung eher dunkel. Das Bild wurde mit Blitz geschossen.» Er wies auf einen hellen Reflex in der Blutlache. «Der Täter hat etwas untergelegt, sieht aus wie ein weißes Plastiktischtuch. Er tut alles, um seine Effekte optimal zur Geltung zu bringen.»
Obwohl es viel grauenvoller hätte sein können, wäre Sigarts Gesicht im Bild gewesen. Doch wie beim letzten Mal endete es an der Schulter.
Weil Sigart in Wahrheit längst am Blutverlust gestorben war? «Kannst du näher an die Wunde heranzoomen?»
Auf den zweiten Blick hielt Beatrices Theorie den Tatsachen nicht stand: An der Stelle, an der der Finger abgetrennt worden war, war das Fleisch rosig, nicht fahl. Die Hand war blass, aber nicht grau. Und es war definitiv Sigarts Hand, es sei denn, ein weiteres Opfer des Owners hätte ähnlich schwere Brandnarben aufzuweisen.
Florin griff zum Telefon und wies Stefan an, den Standort des Handys bestimmen zu lassen. Er schickte das Foto an ihn, Vogt und Drasche. All das Übliche, das bisher nichts gebracht hatte.
«Warum zeigt er uns sein Gesicht nicht?», murmelte Beatrice.
«Ich wüsste lieber, warum er uns diese Bilder überhaupt schickt. Oder nein, ich korrigiere: Warum schickt er sie
dir
?»
In ihrem Kopf dehnte Beatrice die Antwort ins Unendliche. «Weil er möglicherweise glaubt, wir hätten etwas gemeinsam.» Ein Gedanke wie Eis im Nacken. «Weil er mich für eine Täterin hält, in gewisser Weise.»
Bis jetzt hatte sie den Text für sich behalten, den der Owner der MMS beigefügt hatte, wie einen Makel, von dem sie nicht wollte, dass Florin ihn sah. Sie zog ihr Handy wieder aus der Tasche und las die Worte selbst noch einmal stumm für sich, bevor sie sie laut aussprach.
«In Ohnmacht unterlassen das Notwendige heißt eine Vollmacht zeichnen der Gefahr.»
Jetzt lag ihre eigene Wunde beinahe frei. Aber Florin begriff es noch nicht.
«Das hat er dazugeschrieben? Ist das wieder Goethe?»
«Nein. Shakespeare. Spielt im Übrigen keine Rolle, wichtig ist nur, wen der Owner damit meint. Und er meint mich.»
Florin drehte sich vollends zu ihr um, nahm ihre Hand zwischen seine und hielt sie fest. «Er meint dich und Evelyn?»
«Ich wüsste nicht, wen sonst.»
Sie hat nicht gemerkt, dass es draußen dunkel geworden ist. David liegt noch auf ihr, den Mund in ihrer Halsbeuge vergraben, er summt oder murmelt, sie spürt das Vibrieren an ihrer Haut und durchlebt einen Moment völliger Wunschlosigkeit. Danke, sagt sie stumm und fühlt, dass sie gleich lachen wird. Oder weinen.
«Beabeabea», flüstert David, rollt von ihr und zieht sie dabei mit sich, hält ihren Kopf an seiner Schulter fest. «Lass uns für immer hierbleiben. Nur wir zwei. Wir sperren die Welt aus und machen uns unsere eigene.»
Sie legt einen Arm über seine
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