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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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Für kurze Zeit. Danach beginnt alles von vorne.
     
    Die Polizei rekonstruiert Evelyns letzten Abend. Die Partygäste liefern detaillierte Aussagen, und bald ist klar, was passiert sein muss. Der Anruf um halb vier, der die schlaf- und liebestrunkene Beatrice erreicht hat, war der letzte, den Evelyn in ihrem Leben getätigt hat. Sie hat nicht versucht, ein Taxi oder andere Freunde zu rufen.
    «Autostoppen, sie wollte per Anhalter fahren», schluchzt Nola am Telefon. «Sie hätte doch hierbleiben können, der erste Bus in die Stadt wäre um fünf Uhr gegangen.»
    Neue Wenns für Beatrices Spiel. Wenn Evelyn gewartet hätte, wenn sie vorsichtiger gewesen wäre …
    Aber sie ist es, sie, sie ganz allein, die Evelyn um Hilfe gebeten hat.
    Sie erträgt Davids Gegenwart nicht mehr, er ist ein Mittäter. Sie isst kaum noch, schläft wenig, läuft durch die Straßen und starrt den Menschen ins Gesicht. Wer von ihnen könnte dazu fähig sein? Vielleicht steht er gerade jetzt in der U-Bahn neben ihr oder lässt sie an der Supermarktkasse vor. Vielleicht ist es der junge Kerl auf der anderen Straßenseite, der den blau gepunkteten Kinderwagen schiebt, oder der Glatzkopf mit der abgewetzten Hose, der im Gehen Zeitung liest.
Natürlich. Er sucht nach Berichten über seine Tat
.
    Beatrice belagert die Ermittler mit Anrufen. Die Polizistin hat ihr ihre Nummer gegeben, falls ihr noch etwas einfallen sollte, und sie meldet sich dreimal täglich. Liefert Winzigkeiten aus Evelyns Leben, die ihr plötzlich voller Bedeutung zu sein scheinen. Doch vor allem will sie wissen, wissen, wissen.
    Man sagt ihr nichts. Was sie erfährt, ist das, was in der Zeitung steht. Dass der Mord an Evelyn Rieger einer anderen Tat gleicht, die drei Jahre her ist und nie aufgeklärt wurde. Auch damals war das Opfer vergewaltigt, aufgeschlitzt und halb ausgeweidet worden.
    Dazu bringen sie immer dieses Foto, das Beatrice keine zwei Monate zuvor geschossen hat, dieses wunderschöne Foto von Evelyn. Ein Engel mit dunkelroten Locken und strahlend grünen, wissenden Augen.
    Du fehlst mir so.
    Es tut mir leid.
    Wenn ich es geahnt hätte.
    Wenn ich auf dich gehört hätte.
    Wenn
.
    Auf der Beerdigung versucht sie, sich das Gesicht jedes anwesenden Mannes einzuprägen, doch die Menschenmenge ist zu groß. Es sind auch zwei Polizisten da, aber die halten sich am Rand und sehen betreten drein.
    Mama und Richard sind angereist, obwohl sie Evelyn kaum kannten. Sie haben den Mooserhof für zwei Tage geschlossen, was Bea ihnen hoch anrechnet. Ihnen hat sie von ihrer Schuld erzählt.
Ich hätte es verhindern können, es wäre so einfach gewesen
.
    «Du konntest es nicht wissen», sagt Mama. «Schuld hat nur der mit dem Messer. Das Messer hat sie getötet und der Mensch, der damit zugestochen hat. Niemand sonst.»
    Der Gedanke tröstet Beatrice knapp fünf Minuten, dann wird er schal wie zu lang gekauter Kaugummi.
    David kommt ebenfalls zur Beerdigung, in einem schwarzen Rollkragenpulli, trotz der vierundzwanzig Grad Außentemperatur. Er stellt sich neben Bea und will sie stützen. Sie stößt ihn weg.
    «Ich kann doch nichts dafür», sagt er traurig. «Und du auch nicht.»
    Er hat keine Ahnung, aber Gefühle für sie, die tatsächlich echt zu sein scheinen. Umso schlimmer. Sie vermeidet es, ihn anzusehen, bestraft sich stattdessen mit dem Anblick von Evelyns Mutter. Lässt sich von Rheinbergers
Stabat Mater
durchtränken und versucht, den metallischen Geschmack in ihrem Mund wegzuschlucken. Schuld schmeckt wie Blei.
     
    In den Wochen danach wartet sie. Der Fall verschwindet allmählich aus den Nachrichten, und die Polizei nimmt niemanden fest. David hat es aufgegeben, Beatrice wiedersehen zu wollen. Beatrice hat es aufgegeben, ihr Studium abschließen zu wollen. Irgendwann steht Richard vor der Tür, um sie zurück nach Salzburg zu holen.
    Sie wehrt sich nicht. Sie ruft die Polizistin in Wien nur noch einmal pro Woche an und erfährt nichts Neues. Sie hasst die Polizei. Irgendwann, vier oder fünf Monate nach Evelyns Tod, sagt sie das der Frau. «Ihr seid ein unfähiger, blinder Haufen von Nichtskönnern.»
    Sie hört, wie ihre Gesprächspartnerin Luft holt, ist gefasst auf eine heftige Entgegnung. Doch die Polizistin antwortet ganz ruhig. «Wissen Sie, was?», sagt sie. «Machen Sie es doch besser, Sie Klugschwätzerin.»
    «Klar, sicher.» Beatrice legt auf. Aber der Gedanke bleibt haften. Jedes Mal, wenn sie ihn zulässt, hebt er das Gewicht auf ihren Schultern ein

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