Fünf
während der Fahrt nach Hause, bei der sie mehr in den Rückspiegel blickte als auf die Straße.
Sie tat, worum Florin sie gebeten hatte: Sie schloss doppelt hinter sich ab und legte außerdem den alten Riegel vor, den sie, seit sie hier wohnte, noch nie benutzt hatte. Im Ernstfall würde er völlig nutzlos sein, trotzdem fühlte es sich gut an, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Sie vergewisserte sich, dass die Fenster geschlossen waren, und zog die Vorhänge zu. Dann schleuderte sie die Schuhe von den Füßen, sank auf ihr Sofa und starrte an die Decke.
Evelyn. Man konnte es in jedem Zeitungsarchiv nachlesen, wenn man sich die Mühe machte, aber die Verbindung zu ihr herzustellen war schon weitaus schwieriger. Sie hatte damals noch anders geheißen und mit keinem einzigen Journalisten gesprochen. Der Owner hatte es trotzdem geschafft, die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Sie fühlte, wie ihr die Augen zufielen, und riss sie sofort wieder auf. War da ein Geräusch gewesen?
Nein. Unsinn. Trotzdem fühlte sie sich erst wohler, nachdem sie eine Runde durch alle Zimmer gedreht und nichts weiter vorgefunden hatte als die übliche Mischung aus Ordnung und Chaos. Dann erst rief sie Florin an.
«Du bist gut zu Hause angekommen?» Er war immer noch im Büro, sie konnte das Klackern der Tastatur im Hintergrund hören.
«Ja. Mir ist niemand gefolgt, es hat auch niemand in der Wohnung gelauert. Alles bestens.»
«Gut. Du weißt, wenn etwas Ungewöhnliches passiert …»
«Ich bin Polizistin, Florin. Ich passe schon auf mich auf.» Es hörte sich überzeugend an, auch in ihren eigenen Ohren. Und erstmals, seit sie ihre Wohnung betreten hatte, entspannte sie sich.
Die Nacht verging unfassbar schnell. Kaum hatte Beatrices Kopf das Kissen berührt, als schon wieder der Wecker läutete. Sie hatte geschlafen wie narkotisiert. Ihr Handy war stumm geblieben.
«Kümmere dich darum, dass eine Streife bei Sigart vorbeifährt. Sie sollen sich nur kurz vergewissern, dass es ihm gutgeht.» Beatrice lehnte an Stefans Schreibtisch und deutete auf den Zettel mit der Adresse, den sie ihm hingelegt hatte. «Und dann könntest du versuchen, aus Stage 4 schlau zu werden. Ich kriege da keinen Fuß auf den Boden, es wäre gut, wenn jemand einen frischen Blick darauf wirft.»
Stefan fuhr sich durch sein rotes Haar und sah milde beleidigt drein. «Glaubst du im Ernst, ich hätte noch nicht darüber nachgedacht? Ich habe beim Meldeamt eine Liste aller Einwohner bis zum vierzigsten Lebensjahr angefordert, die Felix heißen.»
Genau das hätte Beatrice vor einigen Jahren auch getan. Aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass solche Listen erst dann etwas brachten, wenn man wenigstens ungefähr wusste, wonach man darin suchen sollte. Trotzdem, schaden würde es sicher nicht.
Aus den Augenwinkeln sah sie Kossar näher kommen und seufzte. «Bis später, Stefan.»
Kossar wartete in der Tür zu ihrem Büro und warf begehrliche Blicke auf die Kaffeemaschine, doch sie wollte ihm nichts anbieten, was seinen Aufenthalt unnötig in die Länge ziehen würde. Schlimm genug, dass sie mit ihm über ihre Vergangenheit würde reden müssen. «Es gab eine neue Nachricht des Owners an mich, gestern. Hier.» Sie hatte den Text abgetippt und ausgedruckt.
Kossar überflog ihn, nickte, setzte sich und las ihn ein weiteres Mal. «Sagen Sie mir, wer Evelyn war?»
«Eine Freundin. Wir haben zusammengewohnt.» Aus einem unerklärlichen Grund fiel es ihr leichter, Kossar davon zu erzählen als Florin. Es fühlte sich weniger persönlich an, jedenfalls solange es um die oberflächlichen Fakten ging.
«Meine Vermutung ist, dass sie keines natürlichen Todes starb. Stimmt das?»
Im direkten Gespräch beherrschte er sein Handwerk, immerhin. Sie brauchte nur zu nicken, nichts zu erklären.
«Ich verstehe. Dass der Owner davon weiß, ist die eine Sache, dass er Ihnen sein Wissen unter die Nase reibt, eine ganz andere. Das stützt unsere These, dass er seine Überlegenheit demonstrieren will. Und – korrigieren Sie mich, wenn ich falschliege –», er sah Beatrice an, als suche er etwas in ihrem Gesicht, «bei Ihnen trifft er damit einen wunden Punkt. Habe ich recht?»
Sie zögerte und nickte dann.
«Er will demonstrieren, dass er Ihnen weh tun kann. Wahrscheinlich würde er gern sehen, wie Sie reagieren, es ist also nicht auszuschließen, dass er sich gelegentlich in Ihrer Nähe aufhalten wird.»
Beatrice war froh, dass Florin im Haus unterwegs war und
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