Fünf
Kossars Worte verpasste. Er war imstande, sie unter den Personenschutz zu stellen, den Sigart abgelehnt hatte. «Okay. Eine unverbindliche Prognose: Was wird er als Nächstes tun?», fragte sie.
«Well.» Mit einer schwungvollen Bewegung nahm Kossar die Brille ab. «Er wird seinen Plan weiterverfolgen, nur kann zu diesem Zeitpunkt leider niemand sagen, worin der besteht. Für mich sieht es nach einem ‹Opus› aus, einer Inszenierung, einer Art psychopathischem Kunstwerk. In den USA gab es einige Fälle, die solche Muster aufwiesen. Ich bin seit zwei Tagen dabei, mögliche Parallelen zu sichten.» Selbstzufrieden lehnte Kossar sich in seinem Stuhl zurück und setzte die Brille wieder auf. «Das würde übrigens bedeuten, dass Sie nicht bedroht sind. Sie sind das Publikum – es wäre völlig kontraproduktiv, Sie zu töten.»
Schön zu hören
. Beatrice zwang sich ein Lächeln ab. «Danke für Ihre Erläuterungen. Was, meinen Sie, soll ich ihm zurückschreiben?»
Für Kossars Verhältnisse ließ er sich mit der Antwort ungewöhnlich lange Zeit. «Nur wenn Sie ihm etwas Kluges zu sagen haben, etwas, das ihn interessiert. Etwas, das seiner gestrigen Überraschung an Sie gleichzusetzen ist.»
Obwohl sie keinen Hunger hatte, ging Beatrice zum Mittagessen ins hauseigene Café und holte sich Sandwiches. Auf dem Rückweg hielt Stefan sie auf.
«Die Kollegen waren bei Sigart, dort ist alles in Ordnung. Sie sagten, er sieht krank aus und hätte abwesend gewirkt, aber davon abgesehen ginge es ihm gut.»
Das klang, als wäre er seinem Entschluss einen weiteren Schritt näher gekommen. Die Einweisung, sie mussten die Einweisung beschleunigen.
«Ich habe mir außerdem überlegt, was die Hinweise zum Beruf der Schlüsselfigur bedeuten könnten. ‹Dinge verkaufen, die keiner braucht› – vielleicht ist er Versicherungsvertreter.»
Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so spontan herausgelacht hatte. «Stefan! Das ist ein seriöser Berufsstand, den du da gerade in Verruf bringst.»
«Na ja. Ich musste nur an etwas in dieser Art denken – an Haustüren klopfen, Telefonakquise, verstehst du? Vielleicht verkauft er auch etwas völlig anderes – Fleckenentferner oder Zeitungsabonnements oder einfach heiße Luft …»
Heiße Luft – beziehungsweise schöne Worte. Möglich, dass er in der Werbebranche war. In diesem Fall hätte er eine Gemeinsamkeit mit Nora Papenberg.
«Kein übler Gedanke. Mach weiter so, Stefan.»
Er strahlte, nickte und verschwand in seinem Büro. Beatrice bog in ihr eigenes ab und fand dort Florin vor, die Augen geschlossen und den Telefonhörer am Ohr. Knapp zehn Sekunden, und Beatrice wusste, er sprach mit Vera Beil. Sie hatte gestern noch ihren Mann identifiziert und war dabei zusammengebrochen. Schock und Kreislaufkollaps. Man hatte sie ins Krankenhaus gebracht. Vermutlich telefonierte sie von dort aus, sie hatte heute schon zweimal angerufen, wollte aber nur Florin sprechen.
«Irgendetwas», sagte er gerade. «Versuchen Sie sich zu erinnern, Frau Beil. Was hat Ihr Mann gesagt, als er aus dem Haus gelaufen ist? Oder davor, am Sonntagabend?»
Beatrice wandte sich ihrem Computer zu. Der Handyprovider hatte gemailt, dass die letzte Verbindung über die Prepaid-Karte gestern um 22 . 34 Uhr hergestellt worden war, das Handy hatte sich zu dieser Zeit in der Salzburger Altstadt befunden.
Es erleichterte sie im Nachhinein, dass sie sich nicht getäuscht hatte: Niemand hatte sie verfolgt, sie konnte sich auf ihr Gespür verlassen. Ebenso leider auch auf die Vorsicht des Owners: Er hatte sich noch keine zwei Mal bei der gleichen GSM -Zelle eingeloggt.
Der Nachmittag kroch zäh und langsam dahin, mündete in einen trüben Abend und kurz nach acht in eine ebensolche Abendbesprechung. Keiner im Team hatte große Erkenntnisse vorzuweisen, niemand war imstande, neue Ideen auf den Tisch zu legen.
«Wir stecken fest», sagte Florin. «Stage 4 ist eine harte Nuss – weder Beils Frau noch Papenbergs Mann kennen jemanden, auf den die Kriterien der ‹Schlüsselfigur› zutreffen. Wir müssen also Kleinarbeit leisten und die zwei Angaben, die sich umsetzen lass-»
Beatrices Handyklingelton unterbrach ihn. Es war nicht die Melodie, die das Eintreffen von Textnachrichten anzeigte, sondern die für die Anrufe.
«Sorry», murmelte sie, zog das Handy aus der Tasche und ging zur Tür. Die Nummer auf dem Display kannte sie nicht, gut, dann war es vermutlich schnell zu
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