Fünf
Gang her hörte sie seine Stimme, betont ruhig, aber scharf wie gesplittertes Glas.
«Es ist wenig hilfreich, wenn Sie uns wegen einer Verspätung von zwanzig Minuten für einen ganzen Arbeitstag demotivieren. Jeder hier agiert am persönlichen Limit, und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das auch anerkennen und keinen zusätzlichen Druck machen würden.»
«Was glauben Sie, was ich für Druck bekomme, wenn wir keine Ergebnisse vorweisen können. Das muss Ihnen doch klar sein, Florian.» Hoffmanns Stimme hatte jetzt den kumpelhaften, beinahe verschwörerischen Unterton, bei dem es Beatrice regelmäßig schüttelte. Nicht, dass er ihn ihr gegenüber jemals angewendet hatte, gottbewahre.
«Ich weiß, dass Sie Kollegin Kaspary schätzen», fuhr Hoffmann fort, deutlich leiser jetzt. «Aber sie erscheint mir in letzter Zeit sehr fahrig und abgelenkt zu sein, und das ist bei einem Fall wie diesem nicht tragbar. Kossar denkt, sie sei bereits mit dem Täter in Kontakt getreten, ohne seine Konsultation abzuwarten.» Hoffmann hob seine Stimme. «Sie setzt sich über meine Anweisungen hinweg, aber wenn sie glaubt, damit durchzukommen –»
«Dass sie mit dem Owner Kontakt aufnimmt, war mit mir abgesprochen. Wir müssen handeln, und Kossar lässt sich zu viel Zeit. Wenn wir unsere Kompetenzen überschritten haben, müssen Sie uns eben beide zur Verantwortung ziehen.»
Beatrice schloss die Augen und schluckte den Protest hinunter, der aus ihr herausdrängen wollte.
«Ist das so?» Die Wut war aus Hoffmanns Stimme verschwunden. «Dann hätten Sie mich aber informieren müssen, Florian.»
«Da haben Sie recht. Ich kann Ihnen aber versichern, dass es ein kluger Schachzug von Frau Kaspary war. Der Owner hat auch bereits reagiert. Sie werden niemand Besseren als sie finden, das kann ich Ihnen versprechen.»
«Ach was. Sie hat ihre Qualitäten, keine Frage, und auch den einen oder anderen Erfolg gelandet, aber im Moment … Ich überlege, ob ich Ihnen nicht jemand anderen zur Seite stellen soll, jemanden ohne akute persönliche Probleme. Die nun mal Kapazitäten beanspruchen. Verständlicherweise.»
Beatrice starrte auf das Login-Feld ihres Computers. Erst als ihr Kiefer schmerzte, merkte sie, dass sie die Zähne aufeinandergebissen hatte. Wenn Hoffmann glaubte, dass er sie kaltstellen konnte, hatte er sich geschnitten, aber ihr hätte klar sein müssen, dass er es versuchen würde.
«Auf keinen Fall», hörte sie Florin sagen, mit einer Bestimmtheit, die keinen Platz mehr für Höflichkeit ließ. «Das wäre eine kapitale Fehlentscheidung. Ich habe weder Zeit noch Lust, einen anderen Kollegen in die Materie einzuarbeiten, außerdem –»
«Ach kommen Sie. Nicht schon wieder die Geschichte mit den ach so großartigen Schlussfolgerungen.»
«Sie wissen ganz genau, dass ich recht habe.» Florin hatte seine Stimme wieder gesenkt. «Erinnern Sie sich an den Brauereimord. Oder die beiden toten Frauen auf den Bahngleisen. Es war immer sie, die die Zusammenhänge als Erste begriffen hat.»
Abschätziges Schnalzen mit der Zunge, definitiv von Hoffmann. «Sie übertreiben, Florian.»
«In keiner Weise.»
«Na schön. Dann will ich aber allmählich andere Ergebnisse sehen als ständig neue Mordopfer. Das ist mein Ernst, Wenninger.»
«Sie wissen genau, dass man die Dinge nicht erzwingen kann. Weder Sie noch ich noch Beatrice Kaspary.»
Hoffmann lachte schnaubend. «Weiß die Dame eigentlich, wie sehr Sie sich für sie einsetzen? Man könnte ja fast auf Ideen kommen.»
«Ich werde jetzt weiterarbeiten, wenn es Ihnen recht ist.»
«Na dann, viel Erfolg.» War da ein ironischer Unterton in seiner Stimme?
Die Schritte auf dem Gang verrieten, dass Florin zurückkam. Beatrice tippte hastig ihre PIN in das Registrierfeld und löste den Blick nicht vom Gerät, als er ins Zimmer stürmte und sich in seinen Stuhl fallen ließ.
Sie spürte, dass er sie ansah.
«Tu nicht so, als hättest du nichts gehört», sagte er.
Sie hob den Kopf, versuchte zu lächeln und scheiterte an seiner ernsten Miene. «Danke. Du weißt, dass mir nicht wohl dabei ist, wenn du den Kopf für mich hinhältst, oder?»
Er hob die Augenbrauen. «Geht mir ähnlich, wenn du hinter meinem Rücken mit einem Täter korrespondierst. Aber du hattest recht, was den Zeitpunkt angeht. Warten bringt uns nicht weiter.»
Sie stützte den Kopf in die Hände. «Ich fürchte nur, Hoffmann wird dir die Sache mit meiner einmaligen Kombinationsgabe nicht abnehmen, das tu
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