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Fünf

Fünf

Titel: Fünf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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schüttelte den Kopf. «Und jetzt wird er noch einmal zum Opfer. Das ist unfassbar tragisch.»
    Suchen wir ein Opfer
, echote es in Beatrices Kopf. Sie war überzeugt gewesen, dass der Owner damit auf Evelyn angespielt hatte, aber das war vielleicht ein Irrtum. Möglicherweise hatte er Sigart gemeint und seine Tat auf diese Weise angekündigt. Ein Verlierer, ein Opfer, das lag nahe beieinander.
    «Wir vermuten, dass er den Täter gekannt und ihm selbst die Tür geöffnet hat», sagte Florin. «Uns gegenüber hat Sigart erwähnt, dass er fast nie aus dem Haus geht und zu niemandem Kontakt hält. Gab es da Ausnahmen?» Er lächelte die Frau an. Beatrice konnte sehen, dass dieses Lächeln seine Wirkung nicht verfehlte, obwohl Maly kaum einen Muskel ihres Gesichts bewegte.
    «Warten Sie. Ich hole meine Aufzeichnungen.»
    Sie zog eine dicke blaue Ringmappe aus einem verschließbaren Schrank und öffnete sie im hinteren Drittel. «Die letzten Male sprachen wir hauptsächlich über seine Schlafstörungen und darüber, dass er versuchen sollte, öfter aus dem Haus zu gehen.» Sie blätterte weiter. «Er hatte häufig Albträume und immer wieder Suizidgedanken. Aber er erzählte nie von Bekanntschaften. Ich glaube, er kannte nicht einmal seine Nachbarn mit Namen.» Sie nahm sich die nächste Seite vor, las, schüttelte den Kopf. «Leider. Er lebte völlig isoliert.» Sie unterbrach sich, stutzte, legte ihren Zeigefinger auf die Seite, die sie gerade vor sich hatte. «Warten Sie, das könnte Sie interessieren: Beim letzten Mal erzählte er, dass er den Eindruck gehabt habe, auf einem seiner Spaziergänge hätte jemand ihn verfolgt. Als ich nachfragte, winkte er ab und erklärte, es sei wohl nur sein Gewissen gewesen.» Sie schaute hoch. «Seine Schuldgefühle waren immer ein großes Thema zwischen uns. Er war überzeugt davon, für den Tod seiner Familie verantwortlich zu sein, und reagierte auf alle Versuche, das zu relativieren, mit Abwehr.»
    Beatrice beugte sich vor. «Er hat sich verfolgt gefühlt, sagen Sie?»
    «Ja. Aber offenbar nicht bedroht. Mehr als eine kurze Erwähnung war es ihm nicht wert, er sagte auch, er hätte niemanden gesehen oder gar erkannt. Ich denke, er hielt es selbst für Einbildung.»
    So wie ich neulich, dachte Beatrice. Die aufgeblendeten Scheinwerfer im Rückspiegel.
    «Hat er etwas von Anrufen erzählt? Gab es jemanden, der überraschend Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, eine neue oder alte Bekanntschaft?»
    Zu jedem einzelnen Wort schüttelte Maly den Kopf. «Nein. Ab und zu rief ihn die Ärztin an, die seine Praxis übernommen hatte, wenn sie Fragen hatte. Eltern hat Sigart keine mehr, und der Kontakt zu früheren Freunden ist völlig abgerissen, er wollte nicht mehr –»
    I’ll send an
SMS
to the world
    I’ll send an …
    Beatrice drückte hastig auf die rote Taste, um den Klingelton zu stoppen. «Entschuldigen Sie bitte.» Sie wandte sich ab, erkannte die Nummer des Owners, fühlte, wie ihr heiß wurde.
    Diesmal war es eine MMS . Die Nachricht lautete NM . Nur diese zwei Buchstaben, sonst nichts. Das beigefügte Bild brauchte etwa drei Sekunden, um sich aufzubauen, und als es so weit war, begriff Beatrice nicht sofort, was sie sah. Sie drehte das Handy ein wenig, und plötzlich war alles klar. Sie unterdrückte, was aus ihr herauswollte, ein Geräusch zwischen Fluch und Stöhnen.
    «Etwas Wichtiges?», erkundigte sich Florin.
    «Ja. Ich fürchte, wir müssen uns verabschieden, Frau Maly. Vielen Dank für Ihre Hilfe.»
    Die Therapeutin begleitete sie zur Tür. «Informieren Sie mich, wenn Sie wissen, wie es Herrn Sigart geht?»
    «Selbstverständlich. Noch mal danke.» Beatrice zerrte Florin förmlich aus der Praxis, die Treppen hinunter und bis zum Auto, wo sie sich gegen die Fahrertür lehnte.
    Er stellte sich neben sie. «Der Owner, nehme ich an.»
    «Allerdings.» Sie öffnete die Bilddatei und reichte Florin ihr Mobiltelefon. «Sag du mir, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht ist.»
    «Oh mein Gott.» Er betrachtete das Bild eingehend, dann gab er ihr das Handy zurück. «Sieht furchtbar aus.»
    Das Foto war scharf, und trotz des kleinen Displays stachen Beatrice bei jedem Hinsehen neue Details ins Auge. Der blasse Arm mit dem fleckigen, bis zum Ellenbogen hochgeschobenen Ärmel. Die blutigen Mullbinden, zusammengeknüllt auf der braunen Tischplatte. Und die Hand. Drei Finger und eine schauderhafte Wunde dort, wo sich der kleine und der Ringfinger befunden hatten. Dunkles

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