Fünf
Rot, an manchen Stellen fast schwarz.
«Wir fahren zurück ins Büro und vergrößern das Foto, soweit es geht», sagte Beatrice. «Ein klein wenig von der Umgebung sieht man, vielleicht können wir daraus Schlüsse ziehen.»
« NM .» Mit gerunzelter Stirn deutete Florin auf die Nachricht, die dem Foto beigefügt war. «Könnten das diesmal Initialen sein? Gibt er uns Hinweise auf seinen Namen oder den des nächsten Opfers?»
«Glaube ich nicht. Wenn ich mich richtig erinnere, ist es wieder ein Geocaching-Kürzel und bedeutet ‹needs maintenance›.»
«Versorgung erforderlich», murmelte Florin. «Das ist einfach nur zynisch.» Er riss die Autotür auf und setzte sich hinters Steuer. «Lass uns fahren. Wir brauchen zusätzliche Leute, die noch mal die Nachbarn befragen, das soziale Umfeld der anderen Opfer durchleuchten und die Geocacher-Seiten durchforschen. Wir finden Sigart, bevor der Owner ihn tötet.»
Das Foto ließ sich erstaunlich gut vergrößern und gab weitere schaurige Details preis. Sie hatten Vogt aus der Gerichtsmedizin hergebeten, nun saß er vor Beatrices Computer, die Hände vor dem Mund gefaltet.
«Ich lasse mich nicht darauf festnageln, aber ich würde sagen, dass die Finger mit einem einzigen Hieb abgetrennt worden sind. Suchen Sie nach einer Axt oder einem scharfen Küchenmesser als Tatwaffe.»
Florin deutete auf den blassen Arm. «Der Mann hat zudem wahrscheinlich eine Halswunde und viel Blut verloren. Ich weiß, man sieht auf dem Bild nur den Arm – aber denken Sie, er lebt noch?»
Vogt vergrößerte den Ausschnitt mit der Hand ein wenig mehr und brachte sein Gesicht so nah vor den Bildschirm, dass seine Nase ihn fast berührte. «Zumindest hat er nach dem Abtrennen der Finger noch einige Zeit gelebt, denn die Wundränder wirken leicht entzündet, und es zeigen sich erste Anzeichen eines Heilungsprozesses.» Er schob seine Brille hoch, bis sie ganz oben am Nasenrücken saß. «Es sieht auch aus, als stünde die Hand unter Muskelspannung. Man könnte also vermuten, dass er zum Zeitpunkt, an dem das Bild geschossen wurde, gelebt hat. Garantie gebe ich Ihnen aber keine darauf.»
Das war gar nicht nötig. Für Beatrice würde Sigart am Leben sein, bis das Gegenteil bewiesen war. «Wir sprechen noch einmal mit Konrad Papenberg», sagte sie, als Vogt gegangen war. «Mit seiner Frau hat diese Serie begonnen, ihre Schrift ist auf den Notizen in den Caches, Liebschers Blut auf ihrer Kleidung. In irgendeiner Weise muss sie der Schlüssel zu diesem Fall sein.»
«Aber sie ist nicht die Schlüsselfigur, zumindest nicht, wenn es nach dem Owner geht», warf Florin ein. Seine Finger trommelten einen schnellen Takt auf die Schreibtischplatte. «Er hat uns in seinen Nachrichten noch keine einzige Fehlinformation geliefert, ist dir das aufgefallen? Er belügt uns nicht, wenn er also jemanden als die Schlüsselfigur bezeichnet, sollten wir denjenigen so schnell wie möglich identifizieren.»
«Ja, nur dass wir dafür noch ewig brauchen könnten», antwortete Beatrice. «Ich finde, Sigart hat Priorität, und der Weg zu ihm führt über die anderen Opfer.»
Konrad Papenbergs Gesicht war hochrot und höchstens zehn Zentimeter von Beatrices eigenem entfernt. «Verlassen Sie sofort mein Haus! Ich werde nicht erlauben, dass Sie meine tote Frau hier unter meinem Dach beleidigen!» Ein Spucketröpfchen traf Beatrice knapp neben ihrem rechten Auge. Sie wischte es nicht weg. Statt vor Papenberg zurückzuweichen, tat sie einen winzigen Schritt auf ihn zu. Das hatte genau den beabsichtigten Effekt: Er trat zurück und vergrößerte die Distanz zu ihr.
«Ich verstehe, dass Sie sich aufregen», sagte sie betont ruhig. «Natürlich ist auch nichts erwiesen. Aber auf der Kleidung und den Händen Ihrer Frau war fremdes Blut, das wir mittlerweile einem weiteren Opfer zuordnen können. Sie werden hoffentlich einsehen, dass wir dem nachgehen müssen.»
«Vielleicht wollte sie ihm ja helfen!», brüllte Papenberg. «Ist Ihnen der Gedanke schon gekommen? Nein, Sie glauben lieber, dass Nora eine Mörderin ist, meine Nora, meine …» Ihm versagte die Stimme, und er setzte sich auf die Couch, die Hände vors Gesicht geschlagen.
Beatrice nickte Florin zu. Es war eine stumme Bitte, die Befragung zu übernehmen. Mit einer so heftigen Reaktion hatte sie nicht gerechnet, und obwohl Papenberg ihr leidtat, musste sein Mangel an Beherrschung kein Nachteil für das Gespräch sein, wenn Florin jetzt richtig
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