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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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fragte Gina Weil den Dokter mal, als er mit ihr als Begleitschutz in einer der Sitzungen auftauchte, um ein paar Forderungen wegen des Heimatmuseums anzumelden, die ihm sofort gewährt wurden.
    »Um Reimwettbewerbe der Sparkasse und entartete Ausstellungen im Rathaus«, hatte Rainer Utzer ihr patriarchalisch lächelnd erklärt. Weiter existierte noch der Personalausschuß, der an chronischem Personalmangel litt, der Sportausschuß, in dem wegen Gott und Gesundheit nie und niemals onaniert wurde, und der Ausschuß für Information, Technologie und neue Medien, der, wenn alles gut ging, demnächst das tolle Internet extrem erfinden wollte, oder ja wenigstens die Blindenschrift.
    »Sie sind verrückt, sie sind alle verrückt«, fauchte der Dokter ­spät­abends in der »Sonnenblume« am Banhof, der Kneipe, die er manchmal »Die Somnambule« nannte – ein dekadentes Wortspiel, das von seinen Gefolgsleuten niemand zu schätzen wußte.
    »Aber sie sind heimatliebend«, grinste Astrid Riedler, »das müßte dir gefallen.«
    Der Dokter schob die schmale Unterlippe vor, schnalzte mit der Zunge und sprach. »Ach was, heimatliebend. Die meisten können nicht mal die Sprache, die in der Heimat gesprochen wird. Wenn es ganz schlimm kommt, bei diesen Zwergbürokraten, muß es sowieso englisch sein« – er zog einen Zettel aus der Hosentasche und las vor: »­Out­put­orientierte Steuerung bedeutet, die Planung, Durchführung und Kontrolle des Verwaltungshandelns strikt an den beabsichtigten und tatsächlichen Ergebnissen zu orientieren.«
    Astrid nickte: »Outputorientiert.«
    »Komm jetzt, vergiß das«, winkte ihr und drei andern Nazis, die bei ihnen waren, der Dokter, »laß uns abhauen. Geh’n wir zum Friedhof.«
    Da zog es ihn jetzt öfter hin.
    Nicht selten saßen sie dort auf der Mauer, während er dozierte. Die Sonne sank in den Wald, die obersten Zweige stachen in sie hinein, so blutete sie rot in alle Wolken. Und Rainer Utzer sprach: »Sie haben es nicht kapiert, die Gelehrten, wisst ihr. Nie begriffen. Den späten George. Ratlos, heißt es immer, sei der Charismatiker gewesen, auf die geschichtliche Wirklichkeit – die törichte Weimarer Republik, das jüdische System der Vaterlandsverräter – habe er das nicht mehr beziehen können, was er dichtete. Aber was hat er eigentlich erzählt, frage ich euch? Worum ging es ihm, wenn er den Kult um den toten Gott, seinen verstorbenen Jüngling Maximin, so bedichtet hat: ›Als wandeltest Du wieder neu gestaltet / In Deiner stadt wo du für uns gewaltet‹? Was meinte er damit: ›Mit der gestalten zug flutet zum norden zurück / Mär von blut und von lust mär von glut und von glanz: / Unserer kaiser gepräng unserer kämpfer gedröhn‹? Wieso hat er Sprüche an die Toten gedichtet, wieso hat er von der Zeit gesprochen, ›wenn einst dies geschlecht sich gereinigt von schande‹? Es ging eben darum: Die Dichter wollen immer das sagen, was dasteht. Es ging um ›der toten zurückkunft‹. Der Führer hatte nämlich leider Unrecht, in dieser Sache, das Entscheidende war nicht und nie ›die Jugend‹ – die Welt ist, Kameraden, kein ­out­put­orientierter Jugendhilfeausschuß für rankes, schlankes, zähes Leder, schnelle Windhunde und harten Kruppstahl. Nur die Ahnen können uns erlösen: ›Dann flattert im frühwind mit wahrhaftem zeichen / Die königsstandarte und grüßt sich verneigend / Die Hehren, die Helden!‹«
    »Aber hallo«, brummte Astrid und rauchte gekonnt, weil sie damit sich und den Menschen in ihrer Umgebung schweren Schaden zufügte. Das machte ihr nämlich Spaß. Der Dokter fuhr unbeirrt fort: »Zuviel Zukunft war im NS , Leute – der Nationalsozialismus war leider halt doch ein bißchen Sozialismus, das ganze Maschinenpathos zum Beispiel, alles bei den Roten geborgt. Wir wollen nicht das Reich des Neuen Menschen, das die wollen, wir wollen auch nicht das Reich Gottes, wir wollen das Totenreich, denn nur das Totenreich kann ewig sein. Nietzsche, meine Lieben, unser Bester, was schrieb er über die Totenbeschwörerkunst? ›Zwar ist es nur ein Scheinleben wie über Gräbern, welches hierdurch entsteht, oder wie die Wiederkehr geliebter Todten im Träume, aber wenigstens für Augenblicke wird die alte Empfindung noch einmal rege und das Herz klopft nach einem sonst vergessenen Tacte‹. Es geht darum, diesen Augenblick ins Unendliche zu verlängern – und die Zombotik zeigt den Weg dahin.«
    »Mann«, ächzte Astrid, »wenn ich es nicht bezahlt

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