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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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was die Möglichkeit anging, verrückte Ideen – zum Beispiel religiöse, oder sagen wir eigentums- und arbeitsrechtliche – durch das bloße Erörtern besserer Ideen in die Flucht zu schlagen. Der Blödsinn, den die Leute im Kopf haben, weil sie im gegenständlichen Blödsinn leben, so steht’s im »Kapital«, »kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen« – was erst soweit sein wird, wenn »die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewußter planmäßiger Kontrolle steht«.
    Ein Jugendtreff, dessen Spiegeltür nur von Idealen offengehalten wird, den schließen sie euch bald.
    Wenn man täglich im Fernsehen sieht, daß denen nichts passiert, die Asylsuchende anzünden, wird es vorstellbar, daß das Asylrecht nur ein Ideal, ein Traum ist, aus dem man aufwachen kann und vielleicht muß, damit nicht mehr soviel gezündelt wird. Wer Nazis aus dem Strafvollzug entkommen läßt, muß damit leben, daß ihre Ideen Verbreitung finden, hätte zumindest Marx gesagt.
    Der hielt allerdings schon eine ganze Weile den Mund, als Utzer und Behnke ihre ersten Schreie brüllten. Dafür redete, bevor nun die ­Auto­bahn­aus­fahrt erreicht wurde, die zur verwünschten kleinen Stadt führte, gelegen inmitten der schönsten Wiesen der Welt, noch einmal Klaus Utzer: »Am meischte freu’ ich mich auf meinen Has’. Mei Freundin, weisch. Die Aschtrid. Die isch so geil!«
    Zustimmend gluckste Behnke: Vorfreude ist halt was Feines.

FÜNFZEHNTES KAPITEL
    Pfadfinder möchte zugucken • Liebesmahl im Keller
    1  Torsten Herbst war in seinem ganzen Leben noch nie so überlegen ruhig bei der Sache gewesen. Halb verdeckt von einem kleinen grünen VW -Bus, kauerte er tückisch in der Hocke, wie sie einem Krieger anstand, auf seinem Rachepfad. Herr der Lage? Herr der Ringe? Man wird mich bald zum Ritter schlagen, einer kommt dann mit langem Bart und regelt alles. Torsten trug aber keinen Morgenstern und keine Streitaxt, sondern hielt eine Power Zoom 105-Kamera in Händen. Den rechten Ellenbogen hatte er aufs Knie gestützt. Tolkienscher Kundschafter an der Grenze zu Mordor: Listig spähte er die Beute aus und war bereit, jederzeit ein Foto von Valerie und ihrem Stecher zu machen, das mehr wert wäre als Geld und Ehre. Tom Araya, Sänger von Slayer, deren »South of Heaven« er als Tape im Walkman auf die Jagd mitgenommen hatte, schrie das Söldnersein, in dem Torsten sich suhlte, aus mit ultra feinem Drahtgeflecht bespannten Lautsprechern in die Ohren des Kundschafters, der Text paßte perfekt, »Dissident Aggressor«, ein Priest-Cover:
    Grand canyons of space and time universal
My mind is subjected to all
Stab! Fight!
Hooks to my brain are well in
Stab! Fight!
I know what I am, I’m Berlin
Through cracked, blackened memories of unit dispersal
I face the impregnable wall
Stab! Fight!
Hooks to my brain are well in
Stab! Fight!
I know what I am, I’m Berlin
Exploding, reloading, this quest never ending
Until I give out my last breath …
    Das Drecksgör würde sich sein meckerndes Lachen diesmal verbeißen müssen; anders als damals, als sie ihm nicht erlaubt hatte zu schmecken, was sie hatte. Judgment Day: Wenn erst diese Fotos vor ihr auf dem Küchentisch lagen, sie endlich ihrem Vater gegenübersaß und der sie fragen würde, was sie dazu bitte sehr zu sagen hatte, dann, dann, na ja, aber was dann? Egal: Wann sie aus dem Club wieder rauskam, vor dem Torsten hockte, das war, worauf es ankam. Die Tür, aus der sie schreiten würde, flimmerte fahlblau ausgeleuchtet, die Nacht, wußte Torsten, ist aller Jäger Heimat, auch in der Großstadt, kein Problem.
    Er hatte den alten Typen, der an Valeries Knöpfen drehen durfte, nicht mit ihr reingehen sehen. Aber der wartete wahrscheinlich schon unten auf sie. Das Mädchen hatte Torsten ebenso hartnäckig wie unbemerkt beschattet, seit sie das Haus ihrer Eltern verlassen hatte. Alarmiert von Valeries Vater, sobald dieser erfahren hatte, wann sie heute abend los wollte, war Torsten sofort losgeradelt und gerade noch rechtzeitig an der Deckung spendenden Litfaßsäule gegenüber von Valeries Haustür eingetroffen, um Schöninchen zu ihrer jüngsten Nachtfahrt aufbrechen zu sehen.
    Seit anderthalb Stunden drückte er sich jetzt hier rum, hatte sieben Zigaretten geraucht, das Slayertape

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