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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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zweimal durchgehört, einmal auch eine alte Voivod-Platte zwischengeschaltet – die B-Seite der Cassette –, und war bei alledem nur immer stolzer auf seine Ausdauer, seine Entschlossenheit, seine Geschicklichkeit, seine Ausgefuchstheit geworden, Nikotingrößenwahn, äußerlich ruhige Hände, innere Erregung, giftigschöner Vorgeschmack von Macht.
    Diese Stimmung wurde ihm jetzt durch zwei winzige, aber folgenschwere Ereignisse komplett kaputtgemacht.
    Zuerst trat Valerie aus der Türe, hinter sich grünes pelziges partypulsierendes Licht.
    Torsten stutzte, als er sah, daß sie zwar von einer Begleitung umarmt, geherzt, gedrückt wurde und die beiden Personen so schmiegsam einander zugetan über den Kieshof vor dem halblegalen Kellerclub ­gingen, daß es keinen Zweifel darüber geben konnte, was diese ­Menschenkinder miteinander hatten: bestimmt was Unzüchtiges – das Dumme daran war aber, daß die Person bei Schöninchen just nicht der schmierige Pädophile war, den Torsten auf der Rechnung hatte, sondern eine Frau – deutlich älter als Valerie –, die er zu kennen glaubte, aber nicht zuordnen konnte.
    Scheiße, wer ist denn das jetzt? Woher kenne ich die Schlampe?
    Derart befremdet dachte Torsten nicht sofort daran, das Ereignis zu fotografieren. Als er sich beinah gefaßt hatte und die beiden schon fast aus seiner Linsenreichweite, jedenfalls aber aus dem Bildausschnitt mit der größten Erkennbarkeit ihrer Gesichter entschwunden waren, hinderte ihn das zweite überraschende Ereignis des Abends daran. Es war erheblich schlimmer als das erste, nämlich physisch persönlich gemeint: Jemand fasste ihm von hinten zwischen die Beine, jemand, der offenbar wie er in der Hocke saß und sich dennoch unbemerkt an ihn herangeschlichen hatte.
    Verdammter Walkman, dachte Torsten, als sein Herz nach einem reflexhaften Synköpchen wieder regelmäßig schlug und er mit der fremden Hand zwischen seinen Beinen, die nicht allzu fest zudrückte, einigermaßen leben gelernt hatte. Als hätte sein Angreifer diesen Gedanken gelesen, zog er ihm mit einem Ruck den Kopfhörer vom Schädel. Etwas bewegte sich rechts erst hinter, dann neben seinem Kopf.
    Schließlich sagte eine Stimme halblaut, deutlich artikuliert, dicht am rechten Ohr: »Wir müssen uns mal unterhalten … Torsten, nicht? Ich hab’ da ein Problem, und ich glaub’, du kannst mir helfen.«
    Torsten kannte Sarah nur aus Valeries Erzählungen. Sie war einer der Gründe gewesen, warum Valerie in Berlin keine Zeit mehr für ihn gehabt hatte, kurz nach der Ski-Urlaubs-Affäre. Daß er ihre Stimme nicht erkannte und folglich nicht wußte, wer ihm koboldig aufsaß, schadete nichts: Für alles, was nun folgte, war völlig unerheblich, ob er wußte, wer die Attentäterin war, entscheidend dagegen, daß er begriff, was sie von ihm wollte.
    Das, stellte sich heraus, konnte er liefern, Schwanz sei Dank.
    2  Drei Totenköpfe mit schwarzen Kerzen auf den Schädelkämmen, fein aufgereiht auf dem Bord neben dem Eingang, starrten augenlos die Rückwand des Empfangsraums an, als Schöninchen und Stefanie Mehring die Treppe runterkamen. »Buuh, Grusel«, sagte Stefanie und fasste ihr Liebchen bei der Hand. Fingerchen schloß sich um Finger und Finger um Fingerchen. Verschränkt berauscht bedient gemeinsam stiegen sie die letzten beiden Stufen hinab zur verbotensten Kneipe Großberlins, wo ausgesuchte Zombotiker ausgesuchten Menschen exklusiv zombotische Kostbarkeiten servierten. Ein Mann ohne Nase, venezianisch carnevalesk geschmückt mit Schläuchen aus milchweißem Plastik, die ihm aus den Schultern wuchsen und hinter den Ohren mittels blitzenden Klemmen in die Kopfhaut geschraubt waren, nickte ihnen hinter einer hüfthohen Kassenschranke zu. Der Knochen- und Hautrand über den zwei Fledermausgeruchsschlitzen, welche die Form von einander zunickenden Kaulquappen oder klexbildgespiegelten Kommata hatten, sah lappig und fransig aus. Stefanie schauderte.
    Da löste sich Schöninchens Hand aus ihrer. »Ich zahle das«, sagte das Mädchen, zückte den Reptilienleder-Geldbeutel, der in der Gesäßtasche ihrer roten Samthose gesteckt hatte, und zog drei große Scheine raus, die sie dem gelangweilten Toten ernst hinblätterte. Seine Hand war eine Kralle. Wie ein Gartenrechen an Marionettenfäden zog er das Geld ein, dann neigte er den angefressenen Kopf leicht nach rechts.
    Das sollte heißen: Ihr dürft rein.
    Der maurische Türbogen, oben zwiebelig spitz, war hoch genug, daß auch

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