Fuer immer und ledig - Roman
herumsitzt.«
Wie aufs Stichwort kam in dem Moment Oscars Vater in das Restaurant, um eine Bestellung abzuholen. »Das ist Herr von Lahnstein«, flüsterte ich Marc zu, der sich mit einem alles andere als unauffälligen Schulterblick nach ihm umsah. Von Lahnstein bemerkte uns natürlich, zögerte merklich und rang sich dann ein knappes Nicken ab, das vage in unsere Richtung deutete, bevor er mit seinem Luxus-Abholsushi verschwand.
»Worauf spielst du?«, fragte mich Marc, als von Lahnstein abgezogen war, und hätte ich mein Herz nicht sowieso schon komplett an ihn verloren, wäre es spätestens jetzt so weit gewesen. So gut wie keiner meiner Exfreunde war je auf die Idee gekommen, mich nach meinem Flügel zu fragen. Für sie war ein Klavier ein Klavier, die Dinger unterschieden sich bestenfalls farblich voneinander, und ein Flügel war eben irgendwie ein Klavier mit hinten was dran. Die meisten dachten, dass man Klavier zu einem Flügel sagte. Oder umgekehrt. Es war zum Heulen. Marc war natürlich ein Experte. Mit ihm konnte ich über so etwas reden. Über alles konnte ich mit ihm reden, genau wie damals … Wieder versank ich in Tagträumen, und wieder musste Marc an mir rütteln.
»Langweile ich dich so sehr?«, fragte er, diesmal ganz ernst.
Ich schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, es ist nur … Ich musste daran denken, wie lange ich diesen Flügel schon habe«, improvisierte ich. »Es ist ein alter Rietmann.«
»Oh!« Er machte große Augen. »Exklusiv! Mittlerweile noch exklusiver, seit die meisten anderen fast nur noch in Asien herstellen lassen.«
Ich seufzte. »Ich hätte so gerne einen neuen Rietmann, aber ich kann mir keinen leisten. Einmal bin ich zum Werk gefahren, um die Flügel in der Ausstellung anzuspielen. Sie haben mich behandelt, als wäre ich es nicht wert, überhaupt nur den Deckel zu öffnen.«
Marc schüttelte erbost den Kopf. »Sie haben dich gar nicht erst spielen lassen?«
»Die Frau am Empfang sagte so was wie: ›Ich glaube nicht, dass wir hier etwas für Sie haben!‹ Da bin ich natürlich sofort wieder gegangen …«
Er sah auf seine Armbanduhr. »Ich kenne zwar nicht Rietmann persönlich, aber den Marketingleiter. Das haben wir gleich.« Marc zog sein Handy aus der Anzugjacke, verschwand damit für ein paar Minuten, und als er zurückkam, verkündete er: »Rechnung ist bezahlt, Taxi steht vor der Tür, und wir zwei spielen jetzt ein paar Rietmänner. Und zwar so lange, bis es kracht.«
»Wie jetzt, jetzt ?«
»Jetzt.«
Keine zwanzig Minuten später hielt das Taxi in dem Gewerbegebiet in Bahrenfeld, in dem der Traditionsbetrieb
Rietmann Klaviere und Flügel baute, von denen ich nachts träumte. Tagsüber auch. Natürlich war geschlossen, aber nun wartete ein sehr korrekt gekleideter Herr Mitte dreißig im anthrazitfarbenen Anzug vor der Eingangstür auf uns. Als er Marc sah, schritt er federnd auf uns zu. Formvollendet reichte er zuerst mir die Hand, war aber vor allem auf Marc konzentriert.
»Tilly Baader«, stellte Marc mich vor, und der Mann nickte unverbindlich freundlich. »Eine der besten Pianistinnen, die ich kenne«, unterstrich Marc, und das unverbindliche Lächeln wurde zu einem überrascht strahlenden.
»Das, meine liebe Tilly, ist Herr Meyer-Bergedorf, er ist für das Marketing bei Rietmann zuständig. Vielen Dank, Herr Meyer-Bergedorf, dass wir ausnahmsweise zu so später Stunde …«
»Aber, Herr Jacobeit, ich bitte Sie!«
»Und dann auch noch an einem Sonntag …«
»Das ist doch selbstverständlich!«
»Meine liebe Freundin Tilly spielt schon seit Jahren auf einem Rietmann.«
»Was für eine Freude!«, trällerte Meyer-Bergedorf, während er uns vor sich her in den Ausstellungsraum trieb.
»Letztens dachte sie darüber nach, sich einen neuen zu kaufen«, klärte Marc ihn auf, was Meyer-Bergedorfs strahlendes Lächeln noch einmal um tausend Watt verstärkte. Die Beleuchtung des Ausstellungsraums knipste er passenderweise zeitgleich an. »Leider jedoch wurde
sie, ähm, von Ihren Kollegen im Empfangsbereich … Tilly, erzähl du doch besser.«
Ich räusperte mich. »Man hat mich nicht spielen lassen«, sagte ich ohne Umschweife.
Meyer-Bergedorfs Lächeln zerbröselte erschüttert. »Ist das wahr!«, empörte er sich.
»Tja.« Ich wippte auf den Fußballen herum. »Was soll ich sagen …?«
»Wer …?«, begann der Marketingmann mit bebender Stimme.
»Ach, so eine Frau, blond, paarundvierzig …«
»Frau …« Er senkte gerade noch
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