Für immer untot
Brünette heiter. »Wenn du hinter dem Vorhang bleibst, sieht dich ohnehin niemand.« Sie stieß den Spind mit der Hüfte zu und quiekte plötzlich, als einer der wackelnden Arme sie in den Hintern kniff. Woraufhin mein Dress zur Farbe eines hübschen, sonnigen Tages zurückfand.
Nun, das war leichter gewesen als ich dachte.
Ein Vorteil meines neuen Jobs bestand darin, dass ich einer Freundin Arbeit verschaffen konnte. Sie hatte weder Pass noch Sozialversicherungskarte, und mit ihrem Englisch stand es nicht zum Besten – ich hatte mich schon gefragt, wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen sollte. Insbesondere da ihre Referenzen vierhundert Jahre alt waren.
Ich fand Françoise hinter der Bühne und half ihr in ihre Kluft, ein weißes Futteralkleid mit angeschnittenen Ärmeln. Das Ding war hübsch, aber ich wusste nicht, was es in einer Kollektion zu suchen hatte, die selbst reiche Hexen zögern ließ, bevor sie eine Bestellung aufgaben. Dann löste sich ein kleiner Fleck von der einen Schulter, entfaltete acht dünne schwarze Beine und machte sich an die Arbeit.
Einige andere Flecken, die ich für Knöpfe gehalten hatte, folgten dem ersten.
Als das Kleid zugeknöpft war, hatten die Spinnen das halbe Oberteil mit einem dunklen Flechtwerk umgeben, so zart und komplex wie die Spinnweben, denen es nachempfunden war. Die Muster wurden ständig gesponnen und wieder entknüpft, so schnell, dass der Eindruck eines seidenen Feuerwerks entstand, das auf dem Kleid funkelte und glitzerte.
Ich betrachtete das Kleid mit begehrlicher Bewunderung, als Françoise die Handschuhe überstreifte. Alle Models trugen sie, als Hinweis darauf, dass die einzelnen Teile der Kollektion zusammengehörten. In ihrem Fall waren sie lang und schwarz und erfüllten einen doppelten Zweck: Sie verbargen die Narben dort, wo vor vierhundert Jahren ein Folterer, der sein Handwerk verstand, sie für immer entstellt hatte.
Françoise war im Frankreich des 17. Jahrhunderts geboren, und dort hatte sie es mit der Inquisition zu tun bekommen, die auf Hexen nicht besonders gut zu sprechen gewesen war. Sie hatte entwischen können, war jedoch Sklavenhändlern in die Hände gefallen, die einen schnellen Franc machen wollten, indem sie junge Hexen an die Feen verkauften. Zu den Narben war es kurz vor der Entführung gekommen, und der Käufer, ein Edelmann aus dem Feenland, dessen Frau sehr eifersüchtig war, hatte nicht gewagt, sie zu heilen. Schließlich floh Françoise zu den Dunkelelfen, die beschlossen, sie als Sklavin zu verwenden und nicht als Mahlzeit. Den Narben hatten sie überhaupt keine Beachtung geschenkt.
Aus Françoises Blickwinkel gesehen dauerte das ganze Abenteuer nicht mehr als ein paar Jahre, aber im Feenland verging die Zeit anders als bei uns. Als ihr schließlich die Flucht gelang, existierte die ihr vertraute Welt längst nicht mehr, und das machte sie zu der einzigen mir bekannten Person, der das Schicksal noch übler mitgespielt hatte als mir. Zum Glück war sie groß, dunkelhaarig und exotisch, Merkmale, die in ihrem Jahrhundert kaum jemand zu schätzen gewusst hatte – damals waren zierliche, blonde und traditionelle Frauen das Schönheitsideal gewesen. Doch in unserer Zeit hatte es genügt, Augustine über ihren Mangel an Referenzen hinwegsehen zu lassen. Die unmodische Amazone von gestern schien das Supermodel von heute zu sein.
Als Françoise angezogen war und auf Make-up wartete, das sie nicht brauchte, widmete ich mich dem Bemühen, eine aufsässige Handtasche einzufangen.
Zwischen einem Kleidergestell und der Wand trieb ich sie schließlich in die Enge. Ich sprang vor und packte den schuppigen Griff. Das Ding zappelte, wand sich hin und versuchte, mich zu kratzen.
Augustine erschien neben mir, machte aber keine Anstalten, mir zu helfen. Für einen Moment beobachtete er den Kampf über eine violette Brille hinweg, die ihm von der langen Nase zu rutschen drohte. Mit ihrem breiten, glitzernden Gestell sah sie aus, als hätte Elton John sie beim Singen von »Rocket Man«
tragen können. Sie passte nicht besonders gut zu seinen hellblauen Augen oder den kunstvoll arrangierten Locken. Nun, es wäre der Brille vermutlich schwergefallen, zu irgendetwas zu passen.
»Es gibt da einige…Leute, die dich sprechen möchten«, teilte mir Augustine mit. »Sie haben keine Karten, und ehrlich gesagt. .«
»Was für Leute?«, fragte ich und fürchtete die Antwort. Meine Freunde konnte ich an einer Hand abzählen, und abgesehen von
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