Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
Vom Netzwerk:
auch auf den Hintern fallen und setzte sich im Schneidersitz neben mich. Er wischte sich die nassen Hände an den Knien ab, und dann blickte er hinauf in die Bäume, als wäre da oben etwas, das er sehen wollte. »He«, sagte ich, damit er mich anschaute. »He«, sagte ich wieder. Ich hob die Hand und berührte ihn am Arm, und er blickte mich kurz an, sah dann aber wieder hinauf in die Bäume. »Das war
ich
«, sagte ich. »Sie hat
mich
gehört. Ich und Joe Bill waren draußen, und wir haben gesehen, was die gemacht haben. Ich hab mich nicht getraut, was zu sagen, weil Mama sonst stinksauer würde, weil ich heimlich zugeschaut hab.« Er wandte den Kopf und blickte den Hang hinauf zur Scheune. »Tut mir leid«, sagte ich zu ihm. »Ich hätte das Mama auf dem Nachhauseweg sagen sollen, und ich hätte versuchen sollen, die daran zu hindern, was sie mit dir gemacht haben. Ich hätte das nicht zulassen dürfen.«
    Stump sah mich an, als hätte er vielleicht sogar mitbekommen, was ich zu ihm gesagt hatte, und dann stand er auf und ging vom Bach weg den Hang hinauf. Ich sah ihm nicht hinterher, aber ich hörte die Farnblätter an seinen Beinen rascheln, als er durch sie hindurchging. Ich blieb noch ein bisschen länger sitzen und dachte daran, dass ich und Stump etwa um dieselbe Zeit zwei Tage vorher vom Bach den Hang hinaufgegangen und dann unter dem offenen Schlafzimmerfenster von Mama und Daddy stehen geblieben waren. Ich erinnerte mich daran, wie Stump auf die Regentonne geklettert war, um reinzuschauen, und an mein Gefühl, als ich Pastor Chambliss sah, wie er um die Hausecke kam und sich nach unten beugte und Stump berührte. Ich spürte noch immer seine Finger an meiner Hand, da, wo er sie festgehalten hatte, um sich genau anzusehen, wo der Splitter steckte. Ich stellte mir vor, wie Chambliss seine Hand auf Stump legte, und dann stellte ich mir das Gewicht von den vielen Männern vor, die von oben auf ihn draufdrückten. Ich wusste, dass Stump und ich Sachen gesehen hatten, von denen wir besser nichts gewusst hätten.

    Ich hörte Mama rufen, dass wir reinkommen sollten, und ich wusste, das hieß, dass sie das Mittagessen fertig hatte. Die Farnblätter waren niedergetrampelt, dort, wo Stump durch sie durchgegangen war, und ich folgte seiner Spur bis zu der Stelle, wo wir die Klapperschlange vergraben hatten. Die Erde war noch weich, und ich ging darauf hin und her, um sie gut festzutreten, und dann nahm ich die Schaufel und lief nach oben zur Scheune.
    Ich lehnte die Schaufel hinter dem Scheunentor an die Wand und schaute nach oben in die Dachsparren, wo mein Daddy die Tabakblätter aufhängen würde, wenn er sie nach dem Vortrocknen auf dem Feld reinholte. Als ich aus der Scheune kam und ins Sonnenlicht trat, sah ich Stump neben dem Haus. Er kniete vor der Regentonne und drehte den Hahn auf und zu. Es kam kein Wasser raus, weil keins mehr drin war.
    »Da kommt nichts raus«, erklärte ich ihm. »Ist noch immer kaputt, und wenn ich du wäre, würde ich nicht daran rumspielen, weil Daddy es früher oder später merkt.« Wir standen wieder unter dem Fenster. Es war offen, und ich konnte sie hinten in der Küche reden hören. Es klang, als würden sie sich wegen irgendwas streiten. Ich sah zu dem Fallrohr hoch, das jetzt nicht mehr in die Tonne ragte, sondern ganz verbogen und lose daneben hing. »Nimm lieber den Schlauch«, sagte ich. Er drehte noch ein paarmal an dem Hahn, und ich ging rüber zum Wasserschlauch und drehte ihn auf. Ich wusch mir nacheinander die Hände und ließ das Wasser laufen und setzte mich ins Gras. »Hier«, sagte ich. »Hier, nimm den.« Stump rutschte auf den Knien rüber, hob den Schlauch auf und trank einen Schluck Wasser, und dann spülte er sich die Hände ab. Ich ging hinters Haus und öffnete die Hintertür und trat durch den Flur in die Küche.
    »Er hat schließlich mich angerufen«, hörte ich Daddy sagen. »Nicht ich ihn, Julie, ehrlich. Er ist schon eine Weile wieder hier, und ich hatte keine Ahnung.«
    »Warum ist er überhaupt hier? Es sind nur ein paar Meilen, also war er nicht gerade wild darauf, dich zu sehen. Er hat nun wahrlich keine Anstalten gemacht, deine Familie überhaupt kennenzulernen.«
    »Vielleicht macht er ja jetzt welche«, sagte Daddy.
    »Ja, klar, bestimmt«, erwiderte Mama. »Wahrscheinlich braucht er Geld.«
    »Er hat gesagt, er überlegt, das alte Grundstück zu verkaufen«, sagte Daddy.
    »Wer hätte das gedacht?«, sagte Mama. »Also wenn er dich um Geld

Weitere Kostenlose Bücher