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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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liegt eher daran, dass ich den Job schon so lange mache, als an irgendeiner Langeweile. Andererseits habe ich Einsätze gehabt, einige wenige Fälle, die ich nie vergessen werde, auch wenn ich es noch so sehr versuche oder noch so alt werde. Das hier ist einer davon.

    Ich hatte gerade die Glastür zugeschoben und war auf die Terrasse getreten, als ich das Telefon in der Küche klingeln hörte. Es war ein heißer Sonntagabend Anfang September, und wie jeden Tag nach dem Abendessen war ich auf die Terrasse gegangen, um meine einzige Zigarette des Tages zu rauchen und den Grillen zuzuhören, die mit ihrem Abendkonzert loslegten.
    Ich schüttelte eine Zigarette aus der Packung, fischte das Feuerzeug aus der Tasche, gab mir Feuer, und als ich mich dann umdrehte, sah ich durch die Scheibe, wie Sheila gerade den Hörer abnahm. Sie sah über die Schulter zu mir rüber, wie ich da im Außenlicht vor der Tür stand, während sie der Stimme am anderen Ende lauschte, und dann verdrehte sie die Augen. Sie hob die Hand und bedeutete mir, reinzukommen, dann zeigte sie aufs Telefon und formte mit den Lippen: »Für dich.« Ich beschloss, ein bisschen Theater zu machen, weil sie mich nicht mehr im Haus rauchen ließ, und hielt die Zigarette so, dass sie sie sehen konnte, zuckte die Achseln und lächelte. Sie legte das Telefon auf die Küchentheke, kam durchs Wohnzimmer und schob die Tür auf.
    »Tut mir leid, dass ich dich bei deiner abendlichen Zigarette stören muss«, sagte sie, »aber da ist ein Anruf für dich.«
    »Wer denn?«
    »Robby. Mal wieder.«
    »Meine Güte«, sagte ich. »Was will er denn nun schon wieder. Kann er dich nicht einfach was ausrichten lassen?«
    »Anscheinend nicht«, erwiderte sie. »Hört sich nach einem Notfall an.« Ich schnippte die Glut von meiner Zigarette und steckte das Reststück in die Brusttasche.
    »Immer ist alles ein Notfall«, sagte ich. »Vor allem bei ihm.«
    »Ich habe dir doch gesagt, er ist ein nervöses Hemd. Und zu jung. Du hättest es dir zweimal überlegen sollen, ehe du ihn zum Deputy machst.« Ich trat ins Haus, und als ich an Sheila vorbeiging, drückte ich ihre Hand.
    »Ich hätte dich gern zum Deputy gemacht«, sagte ich. »Aber du wolltest ja ums Verrecken keine Waffe tragen.«
    »Wir verbringen sowieso schon zu viel Zeit zusammen«, sagte sie lächelnd. »Geh ans Telefon.« Ich nahm den Hörer und lehnte mich gegen die Küchentheke. Ich räusperte mich übertrieben laut, wie Leute, die eine Rede halten wollen.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Sheriff, Robby hier. Ich bin auf dem Revier und habe gerade einen Notruf von Ben Hall oben an der Long Branch Road reinbekommen. Er sagt, sein Sohn ist getötet worden.«
    Mit so einer Meldung von Robby hätte ich am wenigsten gerechnet, und schon gar nicht an einem Sonntagabend, und ich stellte mich kerzengerade hin und schob die Hand in die Tasche und sah Sheila an. Sie schien darauf zu warten, dass ich ihr irgendwas Lustiges erzählte, was Robby gesagt hatte, aber je länger ich sie anblickte, desto mehr veränderte sich ihr Gesicht und nahm denselben besorgten Ausdruck an, den sie wahrscheinlich in meinem sah. »Was ist los?«, flüsterte sie. Ich senkte die Augen und betrachtete die Fliesen auf dem Küchenboden. Meine Finger fummelten an dem Feuerzeug in meiner Tasche herum.
    »Wie ist das passiert?«, fragte ich.
    »Wusste er nicht«, sagte Robby. »Seine Frau ist heute Abend gegen halb sieben mit ihren beiden Jungs zur Kirche gefahren. Dann hat er gegen acht Uhr einen Anruf von Adelaide Lyle bekommen, die ihm gesagt hat, sein Sohn wäre in ihrem Haus und dass er tot ist. Er hat sie gefragt, was passiert ist, aber sie wusste es nicht oder sie wollte es ihm nicht sagen.«
    »Ist es in ihrem Haus passiert?«, fragte ich.
    »Nein, Sir. In der Kirche.«
    »Welcher von den Jungs ist es?«
    »Der Ältere«, sagte er. »Der Zurückgebliebene. Den sie Stump nennen.«
    »Ich fahr gleich hin«, sagte ich. »Brauch nur einen Moment, um mich fertig zu machen.«
    »Alles klar«, sagte Robby. »Ben Hall ist auch auf dem Weg dahin. Anscheinend ist sein Daddy wieder da, könnte sein, dass der ihn hinfährt.« Als ich das hörte, wurde mir ganz flau im Magen, und einen kurzen Moment lang dachte ich, ich würde das Abendessen, das ich wenige Minuten zuvor gegessen hatte, gleich wieder von mir geben. »Sheriff?«, sagte Robby. Ich sah auf die Uhr. Es war fast Viertel nach acht. Ich wusste, ich konnte nicht vor Ben und seinem Daddy da sein, selbst wenn ich

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