Fummelbunker
Erziehung genossen. Kompromissbereitschaft sei eine Tugend, hatte mein Vater mir eingebläut. Also ging ich einen Kompromiss ein und versenkte den letzten Fuffi in meiner Tasche, nachdem der vorletzte Zwanni für die rote Dreizehn bluten musste.
Ich räumte das Feld, um Schalkowski zu suchen, der sich schon vor Ewigkeiten von mir entfernt hatte, was mir missfiel, ich aber nicht aussprach. Mit Gewissensbissen wegen des Fuffis stakste ich die Treppen hinauf.
Scheiß Kompromisse.
Offenbar wollte Schalke kurzen Prozess mit seinen Spesen machen und mit hohen Einsätzen zocken. Er saß am ersten Baccara-Tisch, mittig platziert zwischen zwei anderen Gestalten. Zu seiner Rechten saß ein gut gekleideter Mann jenseits von 50 sowie mental fernab jeder Realität, denn er besprach sich mit seinem roten runden Plastikgeld. Links von ihm fläzte ein junger Mann mit ähnlich lässig anliegendem Haar und einem stressgeplagten Button-Down-Hemd. Er hatte hohe Wangenknochen sowie Segelohren, die groß genug waren, um damit Signale aus dem Weltraum zu empfangen.
Mir waren die Spiegelregeln nur bedingt geläufig. Wie beim Black Jack lag das Ziel darin, mit seinen Karten eine gewisse Augenzahl zu erreichen oder mit seiner Summe zumindest näher an die Punktzahl neun zu kommen als der Banquier. Um den Tisch herum schwirrte ein unruhiger Schwarm von Gaffern, dem es jederzeit gestattet war, die Jetons auf den vermeintlich besten Gaul am Tisch zu setzen. Ich drückte mich an einer kleinen Dame mit aufgeplusterten Brüsten vorbei. Ihre fliegenden langen Haare kitzelten mich an der Oberlippe. Ihr auf den Leib genähtes Kleid mit roter Spitze floss wie ein Wasserfall von ihren Hüften herab und bedeckte ihre Knöchel und Fersen. Schwer verdauliches Parfum strahlte von ihrem Körper ab. Unter ihren Brüsten trug sie eine ovale, mit Samt ausgeschlagene Schachtel vor sich her und der Haufen Jetons, der darin kuschelte, klimperte hell, wann immer sie ihr dunkles Haar in den Nacken warf.
Alexander Schalkowski saß wie eine Eins, seine Karten fair ins Publikum gerichtet. Offenbar hatte er ein gutes Blatt, da sich die Passivspieler beinahe darum prügelten, auf seinen Allerwertesten zu wetten. Schalke hatte mir den Rücken zugewandt. Der schüttere Banquier war wie eine Galionsfigur bauchnabelhoch in den runden Einlass des Tisches gepfercht, sein Croupier stand ihm bügelsteif zur Seite. Sein Handrücken berührte die Palette, einen Spatel, der Ähnlichkeit mit einem zu schmal geratenen Pizzaschieber hatte, und mit dem nach einem Ritus die Karten ausgegeben wurden.
Die Brünette in Rot tippelte einige Schritte vorwärts und stellte sich in Schalkowskis Schatten. Ich konnte an seiner nonverbalen Kommunikation erkennen, dass er ihr Parfum roch und ihre Körperwärme spürte. Der debile Rentner sprach sich wortreich mit seinem Einsatz ab und verlangte eine weitere Karte. Kurz bevor der Croupier den Pizzaschieber mit einem Blatt belegte, rückten die Brüste der Brünetten an Schalkowskis Ohren heran und sie legte einen Jeton mit hohem Wert auf das Achtel seines Spielbereiches.
Die Spieler waren bedient, die Karten wurden ausgezählt und die französische Zungenakrobatik des Banquiers verlieh dem Spiel, das nicht weniger als alle anderen Spiele dazu diente, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen, einen würdevollen Abgang. Alexander Schalkowski gewann. Und das nicht zu knapp.
Ich machte Anstalten, an seine Seite zu rücken, doch das Rotkleid machte mir den Stehplatz streitig. Beinahe drückte sie mir ihren spitzen Absatz zwischen die Zehen und ich war einigermaßen angesäuert. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter und ihre lackierten Fingernägel liebkosten mit streichelnden Bewegungen seinen Hemdkragen. Und als wäre das nicht schon genug, sah Schalkowski zu ihr auf und feixte mit ihr. Die Sprache, die er auf sie anwendete, hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit unserem Tête-à-Tête an der Bar. Ich konnte nicht glauben, was ich zu sehen bekam. Während ich herumstand, mir Schrunden an den Fersen holte und gegen die Buchhaltung ermittelte, saß er genügsam in einem gepolsterten Lederstuhl, gewann am laufenden Band und ließ sich auch noch vom Publikum feiern und betatschen. Entrüstet machte ich auf dem Absatz kehrt und setzte mich an die Bar. Ich bestellte ein Bier. Ich trank sonst nie Bier. Genau genommen hasste ich Bier. Aber ich war fest entschlossen, mir mit diesem widerlichen Schaumgetränk die Laune noch mehr zu verderben.
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