Galgeninsel
erzählt, dass die Tochter von der Ertrunkenen mehr oder weniger behauptete, dass das kein Unfall war sondern nachgeholfen worden ist.«
»Und wer soll da nachgeholfen haben?«
»Der Vater, … also der Mann … also der Mann von der Ertrunkenen.«
»Die Tochter hat also ihren Vater verdächtigt, ihre Mutter umgebracht zu haben«, fasste Lydia nüchtern zusammen.
»Ja. So.«
»Und was ist herausgekommen?«, wollte Schielin wissen.
»Es gab eine Obduktion und die hat nichts ergeben, was auf Nachhilfe hingewiesen hätte. Damit war das dann ein Unfall.«
Alle drei schwiegen. Schielin ergriff als erster wieder das Wort. »Du Lydia wirst mit Anna Kandras reden. Wir haben keinen Grund Informationen zurückzuhalten. Konfrontiere sie mit allem was wir wissen und frage sie auch nach den Todesumständen ihrer Mutter. Ich werde mir Kehrenbroich vorknüpfen. Für uns ist es wichtig zu erfahren, in welchem Verhältnis Kehrenbroich und Anna Kandras stehen. Wir klopfen jetzt einfach mal in die Büsche.«
Als sie durch den Gang liefen, um die Anhörungen zu beginnen, öffnete sich die Tür von Funks Büro. Er winkte sie herein und schloss, was für ihn unüblich war, die Tür.
»Es wird euch interessieren, was ich dem Papierkram da entnommen habe.«
Lydia bog die Unterlippe nach unten und sagte: »Jo.«
Er grinste sie an und sagte dann: »Kandras war pleite.«
»Wie? Pleite?«
»Ja pleite halt. Wie ist es wohl, wenn du pleite bist?«, sagte er zu Schielin.
»Du meinst, er hatte kein Kohle mehr?«
»Exakt.«
»Aber auf den Konten waren doch Guthaben und die Anlagedepots?«, sagte Schielin ungläubig.
»Firlefanz«, entgegnete Funk, »die paar Kröten haben keine Auswirkung angesichts der Summen, die Kandras investierte und die er schuldete. Er war blank. Total blank. Definitiv«
Funk hob die Hand und sah ungläubig nach oben. »Es sei denn irgendwo taucht noch ein Lottogewinn auf oder er hat mehrere Häuser verkauft und die Buchungen sind hier nicht enthalten. Aber das kann ich mir nicht vorstellen. Der Typ hatte enorme Ausgaben aber keine Einnahmen. Der hat seit fast zwei Jahren nichts mehr an den Mann gebracht. Und wenn, dann ging die Kohle direkt an Faynbach & Partner, um Schulden abzutragen.«
»Kubasch sei Dank«, sagte Lydia und winkte ab, als Funk sie fragend ansah
»Du bist einfach Klasse«, sagte Schielin und klopfte Funk auf die Schulter.
»Gern geschehen«, entgegnete der. »Bei wem bin ich jetzt dabei?«
»Bei mir. Lydia nimmt die Frau und Gommi macht die ED-Behandlung mit Hoibner. So richtig schön langsam alles. Fotos, Fingerabdrücke, Personenbeschreibung. Stelle die Fragen fürs Herz: Haben Sie ansteckende Krankheiten. Nein? Hatten Sie mal welche? Warum nicht? Wie heißt der Vater des Kindes Ihrer Frau? Warum mochte Ihre Mutter Sie nicht? Nimm ruhig das Sortiment aus der unteren Schublade, Gommi. Wir brauchen ihn am Zahnfleisch, klar.«
Gommert freute sich.
*
Als Schielin den Raum betrat, der von Kehrenbroichs stoischer Ausstrahlung erfüllt war, keimten Zweifel. Kehrenbroich schuf eine Atmosphäre wie Ronsard. Es war hart, einem selbstbewussten Esel etwas abzugewinnen. Gutes Zureden, einer zieht der andre schiebt, oder andere in der Literatur vermerkte Methoden waren wenig aussichtsreich. Es würde also schwierig werden. Zumal dieser Kehrenbroich keine Form von Aggressivität zeigte. Er hockte nun schon eine ganze Weile hier herum und war dennoch höflich. Ein schwieriger Fall. Das andere Problem bestand darin, dass er tief drinnen etwas übrig hatte für diesen staubtrockenen eigenartigen Kerl. Auch das machte die Sache nicht einfacher. Kehrenbroich rutschte mit seinem Stuhl ein wenig näher an den Schreibtisch heran. Funk setzte sich ein Stück hinter Schielin und nahm sogleich Aktenordner zur Hand und fing zu blättern an.
Schielin begann. »Herr Kehrenbroich. Entschuldigen Sie die Wartezeit, aber es war sehr viel los heute morgen.«
Kehrenbroich zeigte Verständnis und wartete darauf, befragt zu werden.
Schielin entschied sich für Zickzackkurs und fragte: »Wie geht es Ihnen?«
Kehrenbroich stutzte. »Ah. Ja. Ganz gut.«
»Das ist schön.« Schielin schwieg und sah ernst an Kehrenbroich vorbei. Eine ganze Weile. Funk las hinten. Es war förmlich zu merken, dass der Banker den Wunsch verspürte sich umzudrehen, Schielins Blick zu folgen und zu erfassen, was da hinten so bedeutungsvoll war. Schielin wartete und gerade als Kehrenbroich ein wenig zuckte, fragte er schnell: »Sie haben
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