Galileis Freundin (German Edition)
Sonnenstrahlen in das Treppenhaus und erhellten ein wenig das untere Geschoß. Die schützenden Fensterläden waren wohl alle geschlossen. Es lag noch genügend Holz neben dem offenen Kamin. Die Glut schien seit Wochen erloschen zu sein. An ein paar trockene Re i sigzweigen legte sie mit dem ‘Fucile’ Feuer an. Sie schlug mit Stein und Stahl Funken, die den Zunder entflammten, den sie an das Reisig hielt. Die kleinen Flammen leckten schnell an den trockenen Zweigen, und das Feuer griff bald um sich. In dem hohen Rauchfang stand die kalte Luft wie ein Pfropfen und verwehrte dem Qualm den leichten Abzug. Caterina rang nach Atem und ein entsetzlicher Husten schüttelte ihre Brust, als sich der schwere Rauch über die Kam i numrandung in den Salon wälzte. Sie flüchtete über die Treppe in den ersten Stock, um an den geöffneten Fenstern frische Luft zu ergattern. Der beißende Rauch hatte sie längst verfolgt und sie drohte zu ersticken. Endlich presste das heiße Feuer den Luftpfropfen explosionsartig durch den Kamin nach draußen und der Rauch suchte sich gierig seinen Weg in den Himmel. Das entfachte Feuer fraß sich durch Zweige, Äste und gespaltene Holzstücke. In dem breiten K a min glühte bald das knisternde Holz. Die Gräfin lud es mit langen Eisengabeln in den ‘Focolare’ einen kleinen tragbaren Ofen, den sie neben ihr Bett stellte.
Es war an der Zeit, das Haus zu verlassen. Sie freute sich auf ihren Garten, auf das Gemüse, das Obst und die Beeren. Warm gekleidet begab sie sich zur Terrassentür. In den schönsten Farben hatte sie sich die Wiederentdeckung ihrer geliebten Natur ausgemalt. Als erstes wollte sie den begierigen Blick über die Terrasse in den Park genießen. Ihre uralte Kastanie und die hohen Fichten sollten die ersten sein, die sie begrüßen würde.
An der Wand neben der Tür hing immer noch unberührt der Schlüssel. Wie bei einem feierl i chen Akt steckte sie ihn in das schwere Schloss . Quietschend, wie immer, ließ sich das Schloss drehen und öffnen. Sie drückte die Klinke hinunter, zog die schwere Eichentüre auf und ta u melte fassungslos zurück. D er Ausgang war von außen zugemauert worden . Eben war sie erst den kalten, nackten und knöchernen Gliedern des Todes entkommen. Jetzt musste sie erkennen, in einem Sarkophag eingemauert zu sein. Sie starrte ungläubig auf die geöffnete Tür, dann sprachlos auf die rote Ziegelwand. Sie lief zum Hinterausgang des Gebäudes. Öffnete die Tür. Erneut stand sie vor einer Ziegelwand. Gehetzt und planlos eilte sie zum Haupteingang. Schwere Bruchsteine, mit Mörtel verbunden, starrten sie kalt und nackt an. In Panik rannte sie in das Kellergeschoß, riss die Tür auf. Finsternis erwartete sie. Wohin sie auch in ihrer tödlichen Angst lief, alle Türen waren von außen zugemauert. Die unteren Fenster w a ren ohnehin mit festen Eisenstäben gesichert, die in die Mauern eingelassen waren.
Sie war eingemauert in eine selbsterwählte Festung. Nackte Angst vor dem Hungertod in e i nem zugemauerten Verlies befiel sie. Ein unbändiger Zorn, Hass auf die Verwaltung erfasste sie, dass man ihre Burg zu ihrem Sarkophag gemacht hatte.
Der Zorn in ihrem Herzen ließ sie wieder zur denkenden Vernunft zurückkehren. Sie suchte eine Öllampe, entzündete das Licht und begab sich in das große Kaminzimmer. Sie setzte sich in einen Sessel vor das flackernde Feuer und überlegte.
Für einen Augenblick erschrak sie vor der grässlichen Tat. Nur für einen Augenblick.
„Niemand wird mich hier einmauern“, sagte sie. Dann schrie sie die Wände an:
„Ich bin der Pest entkommen. Ich werde auch hier einen Ausweg finden.“
Die Bilder der zugemauerten Türe und Tore vor Augen, erkannte sie ihre Chance. An einer der Mauern hatte sie einen kleinen Lichtschein entdeckt. Er verhieß Nähe zum Tag. Ein Durc h bruch mochte dort möglich sein. Erschöpft schleppte sie sich in ihre Schlafkammer. Sie schlief bis zum nächsten Morgen. Wo hatte sie den Lichtschein gesehen? Diese Mauer könnte die schwächste sein. Bald fand sie die Stelle im Keller. Bei geöffneter Tür blickte sie durch ein winziges Loch in der festen Mauer, gerade groß genug, dass man einen Roggenhalm hätte hi n durch stecken können.
„Warum war das geschehen? Wer wollte sie umbringen?“
Sie versuchte eine schlüssige Erklärung für die Ereignisse während ihrer Krankheit zu finden. Aus den jüngsten Anordnungen des Granduca zum Beginn der Epidemie kannte sie die Ve r pflichtung der
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