Galileis Freundin (German Edition)
zwischen dichten Olivenbäumen hindurch, zu der a l ten Villa 'Il Gioiello'. Bevor er den Fuß auf den mit Steinen ausgelegten Weg vor dem Tor b e trat, blieb er noch einmal stehen, versicherte sich, dass niemand ihn beobachtete und sehen konnte und schlich dann direkt zu dem schmalen Fenster neben dem Tor. Noch einmal schaute er sich witternd um, wie ein Reh, zog dann einen Brief unter seiner Kutte hervor und schob ihn zwischen die Eisenstäbe hindurch, hörte, wie das Papier in der Innenseite des Fensters zu B o den glitt und auf steinernen Fußboden fiel.
Der Mönch zog seine Kapuze dichter über seinen Kopf, schaute sich um und verließ die Villa in die niedrigen Gebüsche hinein.
In der einsamen, stillen Villa 'Il Gioiello' öffnete sich am späten Abend eine hölzerne Tür zu einem Raum mit einem Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte. Der greise, bärtige Mann hielt ein kleines Öllicht in der Hand. Auf dem steinernen Boden entdeckte er den Brief und steckte ihn in seinen Wams. Dann schürte er das Feuer kräftig an, damit die auflodernden Flammen ein wenig mehr Licht hergaben, und er nahm auch noch ein brennendes Holzscheit in die Hand. Das Augenlicht des alternden Wissenschaftlers war geschwächt, so dass er trotz aller Bem ü hungen, die Schrift nicht entziffern konnte. In der Nacht wanderte Galilei unruhig durch sein Haus. Immer wieder begab er sich zu seinem Kamin, legte ein Scheit Holz nach und versuchte, das Schriftstück zu entziffern.
Erst am frühen Morgen, als die toskanische Sonne, weit bevor sie über die Hügel klettern konnte, den Mantel der Nacht von der Landschaft zog und die Bäume und Häuser in einen hellen Lichterschein tauchte, war es ihm ermöglicht, die Schriftzeichen in dem Papier zu erke n nen. Mit großer Freude fühlte sich sein Herz erregt, als er in dem Namenszug unter dem Schreiben die Zeichen seiner jugendlichen Freundin, Caterina Picchena, entdeckte .
„Mein verehrter Freund Galilei,
Drei Jahre sind vergangen seit der großen Pest in der Toskana. Nichts habe ich in der Zw i schenzeit von Euch vernommen. Mit Erschrecken, verehrter Galileo, habe ich nun von Eurer Verfolgung erfahren. Was ist es wirklich, was man euch in Rom vorgeworfen hat? Sind es die Erkenntnisse und die Ergebnisse Eurer langen Forschung, die den Herren des Heiligen Offiz i ums nicht geheuer vorkommen? Oder ist es Euer Geschick, mit solchen Forschungen in Europa die Augen der wissenschaftlichen Welt auf Euch zu lenken? Kann es wirklich die Frage sein, ob sich die Erde um sich selbst und um die Sonne dreht? Ich habe vernommen, und am herzogl i chen Hofe spricht man davon, dass selbst einige wissenschaftliche Mitarbeiter bei den Domin i kanern, bei den Jesuiten und beim Heiligen Offizium Eure Meinung vertreten. Sind es andere Gründe, wegen derer man Euch verhaftet, bedroht und schließlich verurteilt hat? Sind es letz t lich vielleicht nur Eifersüchteleien, dass man euch diese frühzeitigen Ergebnisse Eurer Arbeit nicht gegönnt hat? Wollten einige Herren der Kirche, diese Erkenntnisse selber veröffentlichen und waren nur zu spät dran?
Verehrter Herr, mein Herz war während Eures Aufenthaltes in Rom bei Euch. Ich habe mit Euch gelitten und ich habe versucht, meine Zuversicht Euch zu übermitteln. Doch es war wohl alles vergebens.
Cosimo II, Euer Beschützer und der Verteidiger Eurer Ideen ist längst tot. Mein Vater, der Senator und erste Staatssekretär ist auch längst verstorben. Beide Männer waren sicher die letzten Verfechter einer freiheitlichen toskanischen Welt, die nicht nur durch die Ansprüche und die grenzenlose Machtfülle einer unersättlichen Kirche geprägt war. Mit dem Tode dieser beiden Kämpfer für die Trennung von Staat und Kirche sind die letzten Hindernisse eines re i nen Kirchenstaates beseitigt worden. Ferdinand II. hat zum wiederholten Male seine Schwäche und seine Unfähigkeit bewiesen, dem heiligen Offizium entgegenzutreten. Unter seiner Nut z losigkeit musstet und müsst Ihr leiden. Cosimo II. hätte es nicht geduldet, dass sein großer Wi s senschaftler, sein Lehrer und der Träger des toskanischen Ansehens in der Welt so erbärmlich auf dem Altar der kirchlichen Machtfülle geopfert würde. Mein Vater, verehrter Galilei, Euer engster Freund, hätte alle seine Beziehungen in die Wege geleitet, um Euch aus den Fängen der Kirche gänzlich zu befreien.
Doch, was nutzen Euch diese vielen Wenns und A bers?
Mein Herz, mein bester Freund, ist mit Euch. Mein Herz
Weitere Kostenlose Bücher