Galileis Freundin (German Edition)
leidet und versteht Euch. Wie Ihr wisst , mein lieber Galilei, habe ich selbst die Machtfülle der kirchlichen Institutionen erleiden müssen. Ich habe erfahren müssen, dass nicht das wirkliche Recht eine vernünftige Rolle in der Kirche spielt. Es sind die Interessen, die Wünsche und Ziele bestimmter Gruppen, die alleine das Recht für sich in Anspruch nehmen, es nach eigenem Gutdünken auslegen. Die Menschen, die bei einem solch verfehlten rechtlichen Denken leiden müssen und zerstört werden, sind den Predigern und Klerikern gleichgültig. Sie haben kein Empfinden für das freiheitliche Leben eines Einzelnen.
Galilei, mein Freund, mein väterlicher Freund, der Ihr mir so viele gelehrsame Stunden in me i nem Leben geschenkt habt, ich fühle mit Euch. Dass die Würdenträger dieser Institution Gottes auf Erden mich verletzt haben, ist grausam, doch ich habe es verkraftet. Was meine Sinne nicht annehmen wollen, was mein Verstand nicht erdulden kann, ist, dass ein solch gelehrter Mann, wie Ihr es seid, mit hinterlistigen und täuschenden Manövern in Fallen gelockt wird, die Ihn und die Welt um die Erkenntnisse seiner Arbeit und um seinen Ruhm bringen sollen.
Welch bösartiger Verhetzer der Menschen kann diese Schuld, die er auf sich geladen hat, vor unseren aller Herrgott verantworten? Dereinst, mein Freund, werden wir die Täter vor unserem Herrgott ausfindig machen, und sie dem Richter vorführen.
Wenn es Euch beliebt, schreibt mir, wie es Euch in den Jahren Eurer Verfolgung, in der Ankl a ge und bei der Verurteilung ergangen ist. Ich möchte auch aus den Stunden Eures Leides noch lernen und die Erkenntnisse Eurer Schmach in meinem Leben nutzen können. Allzu lange habe ich von euch nichts mehr gehört. Vergesst Eure kleine Caterina Picchena nicht.
Wenn ihr mir eine Antwort geben wollt, so wird sie der Bote meines Briefes in genau zwei Tagen dort wieder abholen, wo ihr meinen Brief vorgefunden habt.
Ich grüße euch, mein hoch gelehrter, hochwürdiger Freund, noch einmal. Ich bin stets verpflic h tet, Euch zu danken und Euer Ansehen in Ehren zu halten. Lasst mich an Eurer Weisheit, die auch in der Verbannung noch die Menschheit überstrahlt, für meinen weiteren Weg teilhaben.
Eure immer und ewig dankbare und bewundernde
Caterina Picchena. “
In der frühen Morgenstunde las Galilei den Brief immer und immer wieder. Schließlich ve r schwanden die Schriftzeichen vor seinen Augen. Der Trost dieser Frau aus dem starken G e schlecht der Picchena schenkte ihm Wärme und Zuversicht. Sein Herz wurde weich und er sehnte sich nach den erbaulichen Stunden in der Burg Picchena zurück. Er sah das kleine ne u gierige Mädchen vor sich, das mit ihm gemeinsam die Laute spielte. Er hörte noch immer ihre neugierigen Fragen. Er sah ihr Leid, das man ihr in der Villa durch den verdorbenen Abt ang e tan hatte, aber auch die verfehlte Hochzeit, die ihr Vater mit dem Buondelmonti bestimmt ha t te.
So sehr sehnte er sich nach der jungen Frau, die jetzt in der Stunde der Not und des Leides seiner gedachte.
Noch einmal schaute er auf den Brief, ehe er das Schreiben dem glühenden Feuer im Kamin übergab. Die Holzscheite nahmen sich des Papiers und der Schrift an. Das verräterische D o kument war vernichtet. Es existierte nicht mehr. Die Schergen aus der Inquisition würden nicht die Spur eines Beweises für seinen Kontakt nach Florenz finden können. So ging er mit allen Schriftstücken um, die ihm seine wenigen verbliebenen Freunde in den Stunden der Trauer und der Not schenkten. Er gedachte dabei auch der Briefe seiner Tochter, Schwester Maria Cel e ste, aus dem Kloster San Matteo. Die Briefe seiner Tochter, waren die einer pflichtbewussten Frau, die Briefe seiner Freundin, Caterina, indessen, die eines zur Freiheit erzogenen Geistes, zu dem sein ganzes Wesen sich hingezogen fühlte.
Mit zitternden Händen hielt Caterina einige Tage später die Antwort des geschätzten Wisse n schaftlers in ihren Händen. Sie wartete die Nacht ab, um sich in Ruhe beim Kerzenschein dem Brief ihres väterlichen Freundes zu widmen. Die Antwort, das wusste sie, würde eine Nachricht aus einer anderen Welt sein, aus einer Welt aber, die ihr näher stand, als das höfische Getue um sie herum.
".....meine verehrte Caterina.
Ich grüße Euch und wünsche mir, dass diese meine Zeilen, Euch in guter Gesundheit vorfinden. Eure Offenheit und Eure Ehrlichkeit haben mich betroffen g e macht. Wie habe ich mit Sehnsucht eine
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