Galileis Freundin (German Edition)
Zeile, mit Eurer Feder zu Papier gebracht, erwartet. Ich hatte an Euch verzweifelt. Ich hatte geglaubt, dass ihr mich vergessen hattet.
Ihr habt mich nun beschämt. Nicht nur, dass Ihr mir geschrieben habt, ließ mein Herz entfla m men. Die Ehrlichkeit Eures Ausdruckes, die Missachtung jeglicher Gefahr, die Ihr mit Eurem Schreiben eingegangen seid, ließ mich meine junge und so stolze Caterina Picchena wieder e rkennen .
Ihr habt mir Trost und Zuversicht in mein enges Leben gebracht. Meine Tage, die ganz und gar der Wissenschaft gewidmet sind, haben mit Eurem Brief einen neuen und wärmenden Sonne n strahl erhalten, der mein Dasein erträglicher und fröhlicher werden lässt .
Ich habe Euren Brief mehrere Male gelesen und habe ihn dann dem sicheren Feuer anvertraut. Ihr müsst wissen, meine liebe Caterina, dass ich in Verbannung lebe, gleichwohl als lebte ich auf einem Schiff unter Quarantäne. Schergen der Inquisition überwachen mich. Sie berichten nah e zu alle meine Wege und Taten an das Heilige Offizium. Diese Schergen werden sicher eines Tages auch meinen Tod überwachen und erst dann Ruhe geben, wenn sie sich wirklich davon überzeugt haben, dass der alte Galilei wirklich tot ist. Daher waren Eure Vorsichtsmaßnahmen, die ihr mit dem Boten Eures Briefes ergriffen habt, sehr wohl überlegt und sinnvoll.
Beim Lesen Eures Briefes durchlebte ich seit langer Zeit wieder einmal die schönen gemeins a men Tage auf der Burg Picchena in der angenehmen Gesellschaft des ersten Staatssekretärs, Eures verehrten Herrn Vaters, Curzio Picchena. Wie lebendig sehe ich noch heute Euer j u gendliches und drangvolles Temperament in meinen langsam erlöschenden Augen. Doch der Herr hat es so gerichtet, dass meine Augen dazu nicht mehr notwendig sind. Das gemeinsame Lautenspiel, die gemeinsamen Betrachtungen von Mond und den Planeten durch mein Fernglas in den klaren Nächten auf Picchena sind mir mehr in Erinnerung als viele andere so genannte wichtige Ereignisse. Was wirklich wichtig und von Bedeutung ist, wird in einem Leben, dessen Höhepunkt überschritten ist, auf ein Mindestmaß zurückgeführt. Was wirklich wichtig ist, in diesen Tagen der bitteren Erkenntnis von Machtmissbrauch , von Falschheit, Missgunst und U n terdrückung sind noch nicht einmal meine wissenschaftlichen Forschungen und Untersuchu n gen. Ich betreibe sie weiter, ja, natürlich. Doch manchmal habe ich mir schon gesagt, dass ich alle diese Erkenntnisse vor einer ziellosen und unfähigen Menschheit genauso gut hätte verbe r gen können. Viele der Menschen sind es einfach nicht wert, dass sie mit Erkenntnissen der Fo r schungen bekannt gemacht werden. Ihre dümmliche Arroganz beleidigt jeden wissenschaftlich denkenden Menschen.
Doch was ist nun, gerade in diesen Tagen, von besonderer Bedeutung für mich? Es sind meine Tochter und die wenigen Freunde, die mich, selten genug, weil sie nicht dürfen, besuchen und die Briefe der Menschen, die mir nahe stehen. Euer Brief, verehrte Frau aus dem Hause eines stolzen Geschlechtes, hat in mein alterndes Herz die Flamme der Erneuerung getragen. Die Inbrunst einer kämpfenden Seele erwachte erneut durch die heilenden Worte Eurer Zuneigung. Die Wärme Eurer Anteilnahme, die unvergessene Vertrautheit aus vergangenen Tagen, geben mir Kraft und Trost. Schließlich auch den Mut zum Widerstand. Es ist letztlich die uneing e schränkte Liebe, die sich mir durch die mir nahe stehenden Menschen zuwendet.
Feigheit und ängstliche, gemeine Wesen habe ich zur Genüge kennen gelernt . Es sind immer wieder die gleichen klein denkenden Geschöpfe, die sich einem Menschen zuwenden, solange er mächtig und akzeptiert ist. Es sind die Geschöpfe die sich sogleich von dem Menschen, den sie eben noch bewundert haben, abwenden, wenn es ihnen einfach opportun erscheint. Meine liebe Caterina, das sind nicht die Bausteine, aus denen eine zukünftige, feste und glorreiche Welt gebaut werden kann. Diese Geschöpfe bilden noch nicht einmal die Steine, auf denen man ein Gerüst aufstellen kann. Ich würde meinen Maurermeister nicht auf ein solches Gerüst steigen lassen. Ich mag nicht über andere Menschen ein Urteil fällen. Doch die feige Herde ist zu zah l reich. Fast bin ich geneigt zu sagen, die feige Herde hat die scharfen Hunde, von denen sie b e wacht wird, selbst geschaffen.
Die Liebe und die Zuneigung, die Wärme und die Bereitschaft, einen Menschen anzunehmen, der neue Gedanken in die Welt trägt, das sind die wirklichen
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