Galileis Freundin (German Edition)
Bausteine einer neuen Wisse n schaft und einer neuen Welt. Ich neige dazu zu sagen, einer neuen Menschheit. Wenn Ihr Euch die Feigheit der Menschen anschaut, dann findet Ihr darin sowohl einen Großherzog als auch einen Bauern, einen Kardinal wie einen Mönch, eine Fürstin wie eine Hure.
Doch, was rede ich über andere. Lasst mich darstellen, wo der große Galilei seine eigenen e n gen Grenzen entdeckt hat. Ich will nicht den ersten Stein werfen auf die kleinen Versager. Ich will mein eigenes Versagen bekennen, dann könnt Ihr selber urteilen.
Ich hatte meinem Verstand, der Brillanz meiner gelehrten Rede zuviel zugetraut. Ich glaubte, die Tatsachen, die erforschten und erkannten Geschehnisse dieser Welt sind Beweis genug für die Anerkennung und die Verteidigung hinterhältiger Angriffe.
Ich habe mich bemüht, mit Rom eine Klärung herbeizuführen. Im Jahre 1616 hat mir der Herr Kardinal Bellarmino noch gesagt, dass die Meinung des Kopernikus, die Erde und die Planeten drehen sich um die Sonne, absolut genommen, der Heiligen Schrift zuwiderlaufen und deshalb weder aufrechterhalten noch verfochten werden dürfe, sie aber ex suppositione verwendet und benutzt werden könne. Später haben mir die Männer der Heiligen Kongregation im ersten Ve r hör mein Verständnis vorgeworfen. Sie drehten die Worte des Herrn Bellarmino um und b e haupteten: ‘Die Streitfrage anlangend, welche die oben genannte Meinung vom Stillstand der Sonne und der Bewegung der Erde betrifft, so wurde von der Hl. Kongregation des Index b e schlossen, dass selbige Meinung, absolut genommen, der Heiligen Schrift zuwiderlaufe und allein ex suppositione annehmbar wäre, dergestalt, wie Kopernikus sie behandelt.’
1616 bin ich aus freien Stücken nach Rom gegangen, ohne gerufen zu sein, um die Sicherheit zu erlangen, dass ich keine andere als die heilige und katholische Meinung aufrechterhalte und was für mich zu tun geboten sei. Ich sprach zu den Herren Kardinälen Bellarmino, Araceli, Sant’Eusebio, Bonzi und d’Ascoli. Ich nenne Euch, verehrte Caterina, die Namen, um Euch aufzuzeigen, wie sehr ich bemüht war, eine Klärung vor einem Streit herbeizuführen.
Doch befand ich mich dennoch auf einmal im Verhör. 1633, am 12. April, wurde ich zum e r sten Mal von der Inquisition verhört. Weiteren Verhören wurde ich im selbigen Jahre am 30. April, am 10. Mai und am 22. Juni unterzogen. Bei diesem letzten Verhör drohten die Herren mir mit der Folter und zwangen mich meinen Erkenntnissen und Theorien abzuschwören.
Ich verschmähte die Eitelkeiten und Empfindlichkeiten der kleinen Geister, die sich überall um die Mächtigen scharen, wie die Soldaten um den erfolgreichen Feldherren.
Ich gierte danach, mit der Kunst der Worte die Wahrheit zu übertragen. Ich achtete nicht auf die Warnungen meiner Freunde, die mich vor einem kompakten Gebilde wie dem Heiligen O f fizium warnten. Ich war überheblich. Meine Fernrohre und meine mathematischen Erkenntni s se, die Experimente und die geistigen Dispute drangen nicht in die Herzen der Menschen, die sich für verantwortlich erklärt hatten. Wenn ich einen Beweis vorlegte, traf mich wie aus einem Hinterhalt der vergiftete Pfeil einer niederträchtigen Verleumdung. Ich begann die unsichtbaren Angriffe zu fürchten. Ein Heer mit einem Fahnenträger und starken Schwertkämpfern in vo r derster Front ist sichtbar und parierbar. Die Heckenschützen und hinterhältigen Feiglinge sind es, die mehr zu fürchten sind. Sie stellen sich nicht dem Kampf. Ihre Waffen sind unehrlich und niederträchtig.
Die Kälte in Rom, die meiner Arbeit und mir entgegen blies, war bald nicht mehr von mir zu ertragen. Ich spürte auf einmal, dass meine schützenden Freunde, auf die ich in der Not so viele Male wie auf einen rettenden Anker hingewiesen hatte, nicht mehr das Schild des Schutzes für mich vor sich hertragen konnten. Sie waren tot. Cosimo II. hatte seine Macht an einen jungen Burschen und die bigotten Mutter und Großmutter übergeben. Der erste Staatssekretär und einflussreichste Mann im Palazzo Granducale, der wahre Beschützer und Berater beim Gro ß herzog, Euer Vater, Curzio Picchena, hatte sich aus seinem Körper zurückgezogen. Sein schützender, politischer Arm war mit ihm in das Grab gestiegen. Einige andere Beschützer bezogen ihren Einfluss nur von den beiden erstgenannten Mächtigen. Die Schar der Kämpfer war mit einem Male sehr klein geworden. Die Keifer und Verleumder wuchsen in der Zahl mächtig
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