Galileis Freundin (German Edition)
von den Schultern der Frau und nahm den Spaziergang wieder auf. Dann sagte er sehr leise:
„Ich habe den Burschen noch nicht einmal gesehen. Geschweige denn, ich hätte mit ihm g e kämpft. Als ich an dem Morgen zum Schauplatz des Duells kam, war kein Giorgio da. Ich glaubte schon, er würde Angst haben, und sich nicht stellen wollen. Ich wollte mich gerade auf den Rückweg machen, als die Schergen des Giancarlo auftauchten. Sie hatten den toten Bu r schen bei sich und verhafteten mich sofort. Dann kam die Verbannung. Ich glaubte, auch ihr seid verhaftet und verbannt worden. Daher habe ich mich nicht mehr gemeldet.“
Diesmal war Caterina stehen geblieben.
„Ihr habt ihn gar nicht getötet? Die Schergen des Giancarlo haben euch sofort verhaftet? Frains, das, das ist nicht fassbar .“
Sie schüttelte langsam ihren Kopf.
„Unglaublich, eine unglaubliche Intrige“, sie griff sich dabei an die Stirn. „Dem Mann ist alles zuzutrauen. Doch wer hat den Pagen dann getötet, wer hat für diese Intrige einen Mord b e gangen? Wer ist zu solch einer Tat fähig?“
„Ja, wer? Ich denke, die Antwort habt ihr selbst gegeben.“
„Ich will nicht mehr zurück in den Palazzo, ich will raus, hier aus diesem Garten. Wir müssen sehr vorsichtig sein. Giancarlo wird euch entdeckt haben. Er wird uns längst zusammen gesehen haben. Wir müssen auf der Hut sein.“
„Gräfin Picchena, das ist nicht mein Leben, auf der Hut zu sein. Ich werde mich nicht verkri e chen.“
Caterina nickte. Sie gingen auf die Piazza Santa Felicita, überquerten den Ponte Vecchio und stürzten sich in den Trubel. Auf allen Plätzen gab es Spiele oder Theaterstücke, Gaukler füh r ten ihre Kunst vor, Fußballspiele und Rennen lockten allenthalben viele Menschen an.
Fernab der Medici und in der Nähe eines sie verstehenden Mannes atmete sie freier, und sie gelangten hinter eine Bühne, auf der es wohl lustige Stücke zu sehen gab. Das Volk lachte, man scherzte miteinander und erfreute sich am Dasein. Die gelöste Stimmung schlug auf beide über, ließ sie enger aneinanderrücken. Das Podium für die Gaukler war sehr hoch gebaut. Ein festes Holzgerüst lud ein zur ungesehenen Zweisamkeit. Ehe sie sich versah, lagen sich beide unter der Bühne in den Armen. Zwischen den breiten Brettern fiel nur wenig Licht auf das Grün der Wiese und bot zugleich den Schutz vor neugierigen Augen und Ohren. Mit kräftigen Sprüngen tobten über ihnen die Gaukler und ließen den Bühnenboden erzittern. Darunter wo g ten in wilder Umarmung der Offizier und seine Gräfin. Als spendete das jubelnde Volk den Beifall für die fest Verschlungenen, so erschien es ihnen und trieb sie zu weiteren wilden Taten. Mit hochgezogenem Kleid und wehendem Haar, glaubte sie von allen Menschen gesehen zu werden. So hielten sie denn an, richteten die Haare, glätteten die Kleider, der Frains witterte nach draußen, den freien Ausgang zu erforschen. Als sie ihn kniend so von hinten sah, überfiel sie doch ein ungeheures Lachen, als viel zu komisch erkannte sie den großen Held.
Arm in Arm verließen sie die Gaukler und freuten sich ob der gelungenen Art. Noch einmal lachte Caterina herzlich. Wann hatte sie zuvor auch nur ähnlich etwas so Verrücktes je getan?
Sie hielten sich fest, lachten und scherzten und wollten niemals wieder auseinander gehen.
An einem heißen Sommertag wartete die Markgräfin auf der Terrasse ihrer Burg. Erntestaub schwebte ständig in der Luft und belastete ihren Atem. Die Hitze lag schwer über dem Land und auf den Gemütern. Der erwartete Besucher sollte all diese Mühsal hinfort schwemmen. Dichte Staubwolken auf der Strecke von Colle hatten seine baldige Ankunft angekündigt.
„Er kommt! Er kommt!“ schrie sie voller Freude ihre Kammerzofe an.
Als sie mit ihren Fingern sanft über ihren Busen strich, spürte sie den Schweiß und den Staub auf ihrer Haut. Mit heftigen Armbewegungen verjagte sie die Kinder, die mit Drescharbeiten auf der Terrasse beschäftigt waren. Mit der Hilfe ihrer Zofe legte sie das gelbe Samtkleid an, das sie an ihrem ersten gemeinsamen Abend getragen hatte. Lang, zu lang hatte sie sich nach diesem Augenblick des Wiedersehens gesehnt. Seit drei Wochen weilte sie bereits in Picchena, und keine Minute war vergangen ohne dass sie an ihren geliebten Frains gedacht hätte. Jeden Tag sollte er eintreffen und jeden Tag hatte sie ihn vergeblich erwartet. Über ihrem Mieder legte sie einen neuen Schal zurecht, den sie extra aus Paris
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