Galileis Freundin (German Edition)
r bei war der Glanz der alten, reichen Familien, die, noch zur Zeit der Unabhängigkeit gegenüber Fl o renz, mit den hohen Türmen an ihren Häusern die Macht ihrer Geschlechter präsentierten. San Gimignano schien allmählich von der Welt vergessen zu werden. Die einstmals mächtige M e tropole an einem der wichtigsten Handelswege der Toskana gelegen, entwickelte sich zu einem Provinznest zurück, das von der Gnade der reichen, florentinischer Herrscherhäuser abhängig zu sein schien. So zeigte denn auch der Markt auf der Piazza della Cisterna eher den Charakter eines Bauernmarktes als den Glanz des Warenaustauschplatzes einer lebendigen Kultur-und Handelsmetropole. Hier versorgten sich die Bürger der Stadt und der umliegenden Höfe mit den Gütern des täglichen Bedarfes und weniger mit den Waren, die das Leben mit Luxus und überflüssigen Gütern schmückt. Selbst Gaukler, die in anderen Städten das Treiben auf den Märkten mit ihren fröhlichen Künsten unterhielten, fehlten.
Der Singsang der jammernden Stimme mit Warnungen, Drohungen und Verwünschungen auf dem Marktplatz beschäftigte ihre Sinne. Die Stimme wurde lauter, sie wurde eindringlicher, sie wurde bekannter.
Vor dem Eingang eines alten Hauses hockte sie mit eingefallenem Gesicht, die Amme Nanini. Die von ihrem Vater aus dem Hause gejagte ungetreue Amme, die ihre Schutzbefohlene schändlich verleumdet hatte. Einige Schritte vor dem jammernswerten Geschöpf hielt Caterina inne. Die Beine voreinander gekreuzt, den linken Arm auf ihrem Knie abgestützt und die kn o chigen Finger dürr wie trockene Äste bettelnd geöffnet, saß die Nanini auf dem steinernen B o den. Ihr Vogelkopf war in ihren Schoß gesunken. Sie beachtete nicht die Vorbeigehenden und bedankte sich nicht bei denen, die ihr eine Münze in die Hand warfen. Eine elende Gestalt, ve r schmutzt und verkommen, von der Welt verstoßen.
Caterina trat einen Schritt auf die treulose Amme zu und gab Marco einen Wink, er solle der Alten eine Münze in die Hand werfen. Bevor der Diener seine Börse öffnen konnte, schloss die alte Hexe ihre Hand und formte sie zu einer drohenden Faust.
"Nicht annehmen will ich die Saat aus dem Hause Picchena", spie sie ihren vergifteten Atem aus, während ihr Kopf mit geschlossenen Augen weiter in ihrem Schoß hing. "Versagen will ich mir Speise und Trank, bevor ich den stinkenden Sold annehme einer untergehenden Sippe. Lasst mich in Frieden. Und Frieden ist es nicht, wenn ihr in der Nähe seid."
Von der teuflischen Art der Frau erstarrte die erschreckte Gräfin. Mit geschlossenen Augen und gesenktem Haupt war sie von der Nanini erkannt worden. Sie machte einen Schritt auf ihre Amme zu. Die verkommene Hexe rutschte in ihrem schwarzen Umhang noch ein Stück weiter zurück. Kleiner und jämmerlicher wirkte die dürre Gestalt.
"Nanini, du lebst. Deine Strafe hätte der Tod sein können. So sei froh, dass du noch da bist und nicht vergangen unter den Schmerzen einer unerträglichen Folter."
Selbst Marco zuckte unter den eisigen Worten seiner Herrin zusammen. Er zitterte und bat:
"Gräfin, lasst uns heimwärts gehen. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns."
Caterina aber rief zornig "Was verschmähst du mein Geschenk, du untreue Alte. Es war deine Schuld, dass ein solches Unrecht an mir geschehen konnte. Recht geschieht dir, was dir g e schieht. Doch bete ich weiterhin zu Gott, er möge dir verzeihen."
"Ich brauche nicht euer Gebet, noch brauche ich euren Lohn. Verschmähen will ich für alle Zeit den Anblick eurer Gestalt und den des Landgrafen Picchena. Höret, Benandantin, noch eine letzte gute Tat will euch tun. Höret und begreift, der Landgraf wird der nächste sein, der in die grässliche Maske des Todes starrt. Keine zwei Tage werden vergehen, und der kalte Arm des schwarzen Mannes greift sich den Herrn."
"Schweig, du Hexe, das soll eine gute Tat sein, dein Gerede und deine böse Sicht? So kann ich denn verzichten auf deine Weissagung und deine schauerlichen Geschichten. Mein Vater, der Landgraf und Senator am Hofe des Herrschers der Toskana ist gesund. Er obliegt nicht den bösen Scherzen deiner stinkenden Zunge. Vergehen magst du in dem Reich des Bösen, verze h ren mag dein Leid den schandhaften Körper, verwelken mag deine trockene Haut in den sta u bigen Straßen als schmutzige Bettlerin. Für nie mehr soll dein schandhaft Maul den Namen meiner Familie nennen. Deine Seele möge unruhevoll über alle Jahrtausende hinweg wie ein geschlagen
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