Gast im Weltraum
Temperatur im Innern unseres Schiffes auf der normalen Höhe zu halten. Die Astrophysiker verließen ihre Observatorien fast nicht mehr.
Als ich am Morgen des achtzehnten Tages auf das Promenadendeck kam, spürte ich deutlich den lastenden Druck der Glut, die durch die Wände_drang. Die Scheibe der roten Sonne schien sich nicht zu bewegen. Nur dunkle Flecken, die ein Kranz feuriger Zungen umgab, wanderten über sie hinweg. Obwohl unsere Kühlanlagen Tag und Nacht, ohne Unterbrechung, mit Hochdruck arbeiteten, stieg die Temperatur jede Stunde um ein Fünftel Grad an und erreichte zu Mittag 32 Grad Celsius. Es war eine Qual, länger als ein paar Minuten auf dem Promenadendeck zu verweilen. Der kalte Wind, den die Ventilatoren unausgesetzt in die Decks und Gänge preßten, kämpfte vergebens gegen die ständig zunehmende Hitze.
Die Scheibe des roten Zwerges oder vielmehr die geneigte, feurige Fläche breitete sich nach allen Seiten bis an den Sternenhorizont aus. War es nun eine optische Täuschung, oder handelte es sich tatsächlich um Strahlenbrechung durch kosmischen Staub – der Himmel über der Gea nahm jedenfalls die Farbe dunklen, geronnenen Blutes an. Durch dieses granatrotüberflutete Dunkel drang kaum noch das Licht der größten Sterne. Andauernd kamen Neugierige auf das Promenadendeck, verließen es aber gleich wieder, schweißgebadet und nach Atem ringend, mit blitzenden Augen, in denen noch der Widerschein der Flammen zu leuchten schien, die sie erblickt hatten.
Zeitweise machte die Oberfläche der roten Sonne den Eindruck eines riesigen Trichters mit gebogenen Rändern, aus dessen Tiefe sich Protuberanzen erhoben. Manche bewegten sich so langsam, daß eine Veränderung ihrer Gestalt mit bloßem Auge nicht festzustellen war, andere dehnten sich jäh aus, als schlängelten sich feurige Reptile aus der Chromosphäre. Ruhelos zuckende Flämmchen trennten den gekrümmten Horizont vom nachtschwarzen All. Die Umdrehung des roten Zwerges war nur daran zu erkennen, daß sich die dunklen Flecken der Granulation zwischen den blendenden Ebenen hellroter Glut majestätisch langsam weiterbewegten.
An diesem Tage stieg die Temperatur sogar in den Wohn- und Arbeitsräumen auf 40 Grad. Am Abend kam der junge Kanopos, der zweite Assistent des Astrogators Pendergast, zu mir ins Ambulatorium. Er klagte über starke Kopfschmerzen, Stechen im Rücken und allgemeine Schwäche. Der Puls war sonderbar verlangsamt. Ich verschrieb ihm ein Anregungsmittel. Dann verständigte ich Yrjöla und teilte ihm mit, daß die Erkrankung wahrscheinlich, meiner Meinung nach, durch die starke Temperaturerhöhung in unserem Schiff hervorgerufen worden sei. Ich brachte Kanopos in ein Einzelzimmer des Krankenhauses, das auf meine Anordnung besonders gekühlt wurde, so daß die Temperatur hier nicht über 25 Grad anstieg. Auf dem Deck betrug sie in dieser Nacht 44 Grad.
Am anderen Tage begann mich der Zustand des Kranken ernstlich zu beunruhigen. Fieber stellte sich ein, die Milz war geschwollen, das Allgemeinbefinden schlecht. Die Blutuntersuchung ergab eine Verringerung der Leukozytenzahl. Gegen Mittag begann der Kranke zu phantasieren.
Die Mittel, die ich anwandte, brachten keine Besserung. Ich beriet mich deshalb mit Schrey und Anna. Das Krankheitsbild war für uns unverständlich. Nach der Beratung fuhr ich zu Yrjöla und verlangte kategorisch, den Flug in Richtung der Sonnenoberfläche zu beenden. Die Astrophysiker verhielten sich zu dieser Forderung ablehnend, da beschlossen worden war, daß wir uns so lange auf den roten Zwerg zubewegen wollten, bis die Temperatur im Schiff 56 Grad erreichte. Sie betrug erst 47 Grad. Ich beharrte auf meiner Forderung. Trehub wies darauf hin, daß außer Kanopos niemand erkrankt sei, und fragte mich, ob ich überzeugt sei, daß seine Krankheit mit dem Ansteigen der Temperatur Zusammenhänge. Obgleich ich dessen nicht sicher war, blieb ich bei meiner Forderung. Die Astrogatoren gaben nach.
Gegen fünfzehn Uhr drosselte die Gea die Geschwindigkeit, beschrieb einen großen Bogen und entfernte sich allmählich von dem roten Zwerg; die Geschwindigkeit wurde nun in jeder Sekunde um fünfzig Kilometer erhöht.
Das Befinden des Kranken verschlechterte sich zusehends. Ich war bis Mitternacht bei ihm. Er phantasierte, das Fieber stieg auf 40 Grad. Herzschwäche trat ein. Da ich auch die vorhergehende Nacht nicht geschlafen hatte und ständig auf den Beinen gewesen war, fühlte ich mich wie zerschlagen und
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