Gefaehrliche Verstrickung
hinweg, wobei sie leicht errötete. Ob der Schuhverkäufer so was wie ein Doktor war? fragte sie sich.
»So, das hätten wir. Wollen mal sehen, was wir auf Lager haben.«
»Warum ziehst du nicht auch den anderen Schuh aus, Addy? Dann kannst du mit den neuen ein paar Schritte herumgehen und sehen, ob sie passen.«
Adrianne beugte sich vor, um die Schnalle aufzumachen. »Ist es denn dem Schuh-Mann erlaubt, mich anzufassen?«
Celeste muss te sich das Lachen verbeißen. »Aber ja. Es ist doch sein Beruf, Schuhe zu verkaufen, die gut passen. Dazu muss er aber erst deine Füße messen. Und es gehört zum Service mit dazu, dass er dir hilft, die alten Schuhe aus- und die neuen anzuziehen.«
»Ein Ritual?«
Sprachlos lehnte sich Celeste zurück. »In gewisser Weise.«
Damit zufrieden faltete Adrianne ihre Hände im Schloss und saß lammfromm da, als der Verkäufer mit einem Stapel Schuhschachteln zurückkehrte. Mit feierlichem Gesicht beobachtete sie, wie er die pinkfarbenen Schuhe mit den Blumen aufschnürte, sie ihr anzog und mit einer Verbeugung zuschnürte.
»So, das wär's, mein Fräulein«, sagte der Verkäufer und tätschelte ihren Fuß. »Probier mal, ob sie passen.«
Auf Celestes Wink hin stand sie auf und machte ein paar Schritte. »Sie sind anders.«
»Wie anders?« fragte Celeste. »Gut oder nicht gut?«
»Gut.« Adrianne grinste über die Vorstellung, Blumen auf ihren Schuhen zu tragen, und hatte nichts dagegen, als der Verkäufer ihr mit dem Daumen auf die Zehen drückte.
»Ja, die müßten passen.«
Adrianne holte tief Luft und lächelte ihn an. »Sie gefallen 104 mir sehr gut. Vielen Dank.« Kichernd atmete sie wieder aus. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie mit einem Mann gesprochen, der nicht zur Familie gehörte.
Die drei Wochen, die Adrianne in New York verbrachte, gehörten zu den aufregendsten und auch traurigsten ihres Lebens. Es gab so viel zu lernen und so viel zu sehen. Ein Teil von ihr, der unter den strengen, unumstößlichen Anstands- regeln aufgewachsen war, verachtete die Unverfrorenheit dieser Stadt. Der andere Teil, der sich dem langsam öffnete, war hellauf begeistert davon. New York bedeutete für Adrianne Amerika. Und es sollte immer Amerika für sie bleiben, im Guten wie im Schlechten.
Die äußeren Umstände hatten sich verändert. Sie besaß zwar auch hier ein eigenes Zimmer, aber es war größer und heller als das, das man ihr im Palast ihres Vaters zugewiesen hatte. Und obgleich sie keine Prinzessin mehr war, wurde sie dennoch zärtlich geliebt. Immer noch schlüpfte sie ab und an nachts zu ihrer Mutter ins Bett, um sie zu trösten, wenn diese weinte, oder wach zu liegen, wenn sie schlief. Sie merkte, dass irgendwelche unbekannten Dämonen ihre Mutter beherrschten, und das machte ihr angst. An manchen Tagen schien Phoebe voller Kraft, Energie, Lebensfreude und Optimismus zu stecken. Dann sprach sie über ihre vergangenen Erfolge und von ihren zukünftigen. Unter fröhlichem Lachen wurden dann Versprechungen und Pläne gemacht. Zwei, drei Tage darauf war plötzlich wieder alles Leben aus ihr verschwunden. Dann klagte Phoebe über Kopfschmerzen oder Müdigkeit und verbrachte Stunden allein in ihrem Zimmer.
An solchen Tagen ging Celeste mit Adrianne zum Essen aus, im Park spazieren, oder sie besuchten ein Theater.
Selbst das Essen war hier anders, und ihr wurde erlaubt zu essen, was sie wollte und wann sie wollte. Rasch verfiel sie dem Reiz eines kräftigen Schlucks eiskalter Pepsi Cola direkt aus der Flasche. Sie verspeiste ihren ersten Hot Dog, ohne zu ahnen, dass er aus Schweinefleisch gemacht war, ein absolutes Tabu für Moslems.
Der Fernseher wurde ihr Lehrer und ihre liebste Unterhaltung. Filme, in denen Frauen Männer umarmten - auf offener Straße, und das ziemlich heftig - entsetzten und faszinierten sie gleichermaßen. Oft endeten sie wie im Märchen: Die Frauen und Männer verliebten sich oder verloren ihr Herz. Die Frauen suchten sich den Mann selbst aus, den sie heiraten wollten, und manchmal beschlossen sie auch, einfach nicht zu heiraten. Schweigend und staunend ließ sie die Filme auf sich einwirken. Bette Davis in Jezebel, Katharine Hepburns Philadelphia Story und, was sehr seltsam für sie war> Phoebe Spring in Nights of Passion. In dieser Zeit wuchs in ihr die Bewunderung für selbstbe wusste Frauen, die sich in dieser von Männern beherrschten Welt sehr wohl behaupten konnten.
Doch es waren die Werbesendungen, in denen die Menschen so komisch
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