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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Beck. Monk hatte mit angesehen, wie dieser Tag und Nacht arbeitete, um Frem- den das Leben zu retten. Nie schien ihn der Mut zu verlas- sen, ebenso wenig wie das Mitleid. Es war nicht schwer, zu erraten, warum Callandra ihn so sehr bewunderte, aber wie gut kannte sie ihn eigentlich? Kannte sie mehr als seine berufliche Seite? Was war mit dem Teil seiner Gedanken, die nichts mit Medizin zu tun hatten? Was mit seinen Ängsten und seinem Schmerz? Seinen Neigungen?
    Monk sah einen leeren Hansom und trat an den Randstein, um ihn herbeizuwinken, aber der in dicke Schals eingewickelte Kutscher fuhr blind weiter, und Monk umrundete einen Laternenpfahl und trat wieder auf das Trottoir.
    Er beschleunigte seinen Schritt, plötzlich war er wütend, und Energie stieg in ihm auf. Er merkte, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte, und wäre fast mit dem
    Brotverkäufer zusammengestoßen, der müßig an der Ecke stand und auf Kundschaft wartete. Auf den Straßen waren schon zu dieser frühen Stunde Brauerei-Rollwagen und Frachtkarren mit Gemüse für den Markt unterwegs. An der Ecke Francis Street verkaufte ein Milchmann Kannen und Krüge voll Milch, und zwei Frauen warteten zitternd im feuchten, eisigen Wind.
    Ein weiterer Hansom kam vorbei und hielt an. Monk stieg ein, nannte dem Kutscher die Adresse des Polizeireviers, und dort angekommen, bat er ihn zu warten. Monk wollte Runcorn abholen, und der Hansom sollte die beiden nach Haverstock Hill bringen.
    Runcorn brauchte nur wenige Augenblicke. Er kam mit flatternden Rockschößen die Treppe herunter, die Wangen noch gerötet vom Schaben des Rasiermessers. Er stieg zu Monk in die Kutsche und gab dem Kutscher scharfe Anweisungen.
    Sie saßen schweigend in der Kutsche. Ein halbes Dutzend Mal wollte Monk Runcorn nach seiner Meinung bezüglich eines Aspekts des Falls fragen, und jedes Mal überlegte er es sich anders. Mindestens zwei Mal hörte er auch Runcorn Luft holen, als wollte dieser etwas sagen, und dann sagte er doch nichts. Je länger das Schweigen dauerte, desto schwieriger war es zu brechen.
    Sie fuhren den Hügel hinauf und aus der Stadt hinaus, wo der Nebel sich lichtete. Die saubere Luft war erfüllt vom Geruch nach feuchter Erde, Holzfeuern, Laub und Pferdedung.
    Als sie die Ecke Haverstock Hill und Prince of Wales Street erreichten, blieb der Hansom stehen, und sie stiegen aus. Runcorn entlohnte den Kutscher. Das Haus vor ihnen war herrschaftlich, aber nicht protzig. Monk warf einen Blick auf Runcorn und sah den Respekt in dessen Miene.
    Ein solches Haus sollte ein Mann von moralischen Grundsätzen bewohnen. Die Vorhänge waren zugezogen. An der Tür hingen schwarze Crepebänder. Monk lächelte und zwang seine Gedanken zurück zur Sache.
    Runcorn ging vor und riss am Klingelzug, dann trat er einen Schritt zurück.
    Kurz darauf öffnete ihnen ein Hausmädchen mittleren Alters in einem einfachen Stoffkleid und einer weißen, am Saum nassen Schürze die Tür. Ihre Hände waren rot, und um ihre Handgelenke lief eine dünne Linie Seifenschaum. Ihrem Gesicht war anzusehen, dass sie geweint hatte und jetzt mit aller Macht versuchte, sich zusammenzureißen.
    »Ja, Sir?«, erkundigte sie sich.
    Es war kurz vor neun. »Könnten wir bitte Dr. Beck sprechen?«, fragte Runcorn. »Es tut mir Leid, aber es ist notwendig.« Er zog eine Karte heraus und reichte sie ihr.
    »Ich komme von der Polizei«, fügte er hinzu, als sie der Karte keinerlei Beachtung schenkte und ihm klar wurde, dass sie womöglich nicht lesen konnte.
    »Er kann Sie nicht empfangen«, sagte sie schniefend.
    »Ich bin mir seines schmerzlichen Verlustes durchaus bewusst«, sagte Runcorn leise. »Deshalb muss ich ihn auch sprechen.«
    »Er kann nicht«, wiederholte sie ausdruckslos. »Er ist nicht da.«
    Monk spürte, dass sein Herzschlag sich beschleunigte. Runcorn erstarrte.
    »Er ist ins Krankenhaus«, erklärte das Hausmädchen.
    »Nach Hampstead. Arme Seele, weiß nicht, wohin mit seinem Kummer, aber die Kranken vergisst er nicht.« Sie zwinkerte schnell, aber trotzdem liefen Tränen über ihre rauen Wangen. »Sie müssen den finden, der ihm das
    angetan hat. Wenn Sie auch nur einen Pfifferling wert sind, dann finden Sie ihn!«
    Runcorn holte tief Luft, um vernünftig mit der Frau zu reden, überlegte es sich jedoch anders. Vielleicht war er sich bewusst, dass Monk, der eine Stufe hinter ihm stand, ihm zusah und zuhörte. Er würde geduldig sein. »Natürlich werden wir das, aber wir brauchen seine

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