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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Anflug von Verzweiflung, er war angespannt und bewegte sich unbeholfen, als bedrückte der Raum ihn – der Schmerz und die Angst, die darin blieben, auch wenn alles vorbei war. Er hatte den Blick unverwandt auf Kristian geheftet, um die anderen Dinge, die ihm ins Auge fallen könnten – die Skalpelle, Klammern und Pinzetten – nicht anzusehen.
    »Wussten Sie, dass sie an diesem Abend in die Acton
    Street wollte?«, fragte Monk.
    Kristian zögerte. Die Frage schien ihn in Verlegenheit zu bringen. Monk sah, dass auch Runcorn es bemerkte.
    »Nein«, sagte Kristian und blickte von einem zum anderen. Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, schwieg jedoch.
    »Was dachten Sie, wohin sie geht?« Monk ritt nicht gerne auf dem Thema herum, aber die Tatsache, dass es Kristian Unbehagen bereitete, zwang ihn umso mehr dazu, darauf zu bestehen.
    »Wir haben nicht darüber gesprochen«, sagte Kristian, ohne Monk anzusehen. »Ich habe nach einer Patientin gesehen.«
    »Ihr Name?«
    Kristian machte große Augen; einen kurzen Augenblick war er verdutzt. »Natürlich. Maude Adenby, am Clarendon Square, nördlich der Euston Road. Ich nehme an, Sie müs- sen in Betracht ziehen, dass ich es womöglich war.« Sein Körper war angespannt, die Muskeln an Hals und Kinn standen hervor, sein Gesicht war aschgrau, aber er erhob keine Einwände. »Muss ich sagen, dass ich es nicht war?«
    Damit brachte er auch Monk in Verlegenheit. Er sagte, was ganz untypisch für ihn war: »Es gibt in uns allen Bereiche, die nicht nur anderen, sondern auch uns selbst verborgen sind. Erzählen Sie uns etwas über Ihre Frau.«
    Es herrschte absolute Stille. Entfernte Geräusche drangen von draußen herein: Schritte, das Klappern eines Henkels, ununterscheidbare Stimmen.
    »Wie beschreibt man jemanden?«, fragte Kristian hilflos. »Sie war …« Erneut hielt er inne.
    Gedanken über Liebe und Besessenheit, Langeweile, Betrug und Durcheinander schossen Monk durch den Kopf. »Wo haben Sie sie kennen gelernt?«, fragte er in der Hoffnung, Kristian damit einen Einstieg zu geben.
    Kristian schaute auf. »Wien«, sagte er, und seine Stimme
    bekam plötzlich eine bestimmte Schwingung. »Sie war Witwe. Sie hatte sehr jung in London einen österreichischen Diplomaten geheiratet. Er starb 1846, und sie blieb in Wien. Sie liebte die Stadt. Wien ist mit keiner anderen Stadt der Welt vergleichbar.« Er lächelte ganz leicht, und in seine Miene trat Wärme, und sein Blick wurde zärtlich. »Die Oper, Konzerte, Mode, Cafés und natürlich der Walzer! Aber ich glaube, vor allem die Menschen. Sie besitzen einen Esprit, eine einzigartige Kultiviertheit, eine Mischung aus Ost und West. Sie mochte die Wiener und hatte Dutzende von Freunden dort. Es passierte ständig etwas, um das zu kämpfen sich lohnte.«
    »Zu kämpfen?«, fragte Monk neugierig. Das Wort kam ihm merkwürdig vor in einem solchen Zusammenhang.
    Kristian erwiderte seinen Blick. »Ich habe sie 1848 kennen gelernt«, sagte er leise. »Wir waren alle in die Revolution verwickelt.«
    »Haben Sie damals dort gelebt?«
    »Ja. Ich bin in Böhmen geboren, aber mein Vater stammte aus Wien, und wir waren dorthin zurückgekehrt. Ich arbeitete in einem Krankenhaus, und ich kannte alle möglichen Studenten, nicht nur Mediziner. Überall in Europa herrschte große Hoffnung auf eine neue Freiheit, und der Geist des Aufbruchs lag in der Luft: Paris, Berlin, Rom, Mailand, Venedig, sogar in Ungarn. Aber für uns war Wien natürlich das Zentrum.«
    »Und Mrs ….«
    »Elissa von Leibnitz«, ergänzte Kristian. »Sie setzte sich leidenschaftlich für die Sache der Revolution ein. Ich kannte niemanden, der mehr Mut hatte, der mehr für den Sieg riskierte.« Er hielt inne. Monk sah, dass Kristian diese Tage noch einmal durchlebte, deutlich und frisch, als wären sie eben erst vergangen. In seinen Augen lagen Sanftheit
    und Schmerz. »Sie war gescheiter als alle anderen. Sie konnte uns zum Lachen bringen … und uns Hoffnung machen …« Er unterbrach sich noch einmal, und diesmal wandte er sich von ihnen ab und verbarg sein Gesicht.
    Monk warf Runcorn einen Blick zu und entdeckte in dessen Augen ein so nacktes Mitleid, dass es ihn verblüffte. Das war nicht der Mann, den er zu kennen glaubte. Er fühlte sich wie ein Eindringling, weil er Zeuge davon geworden war. Dann war der Augenblick auch schon vorbei, und Runcorn war nur noch verlegen und zornig darüber, dass er gezwungen war, etwas zu empfinden, was er nicht empfinden wollte,

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