Gefährliches Geheimnis
durch die prächtige Halle in das düstere Frühstückszimmer. Die grünen Samtvorhänge waren üppig drapiert und mit dicken Seidenkordeln zurückgebunden. Die Wände waren in dem Ton von dunklem Sherryholz verkleidet, und eine Wand wurde ganz von einem Bücherregal eingenommen. Über dem Kaminsims hing ein prächtiges Gemälde einer Seeschlacht – eine kleine Messingplakette verkündete, dass es Kopenhagen war, einer von Nelsons Siegen.
Sie warteten fast eine halbe Stunde, bevor Fuller Pendreigh hereinkam und leise die Tür hinter sich schloss. Er war ein sehr eindrucksvoller Mann, schlank, elegant und überdurchschnittlich groß, obwohl es ihn im Augenblick Mühe zu bereiten schien, sich aufrecht zu
halten. Aber es war sein Gesicht, das am meisten auffiel. Seine Züge waren fein und regelmäßig, die Augen hellblau unter horizontalen Augenbrauen, und das blonde Haar, das nicht von einer Spur Grau durchsetzt und ungewöhnlich dick war, hatte er sich aus der breiten Stirn gekämmt, nur sein Mund war eigen und nicht besonders gut aussehend. Aber der distanzierte Ausdruck konnte auch das Ergebnis des Schocks durch den plötzlichen schrecklichen Trauerfall sein. Er war, bis auf das Hemd, ganz in Schwarz gekleidet.
»Guten Morgen, Gentlemen«, sagte er steif. »Haben Sie
Neuigkeiten?«
»Guten Morgen, Sir.« Runcorn stellte sich und Monk vor. Er hatte nicht die Absicht, Monk bei dieser Gelegenheit die Führung zu überlassen. Das hier war in erster Linie eine Polizeiangelegenheit, und Monk war nur aus Gefälligkeit dabei, und er würde ihn daran erinnern, falls er es vergessen sollte. »Ich fürchte, bisher gibt es kaum etwas«, fuhr er fort. »Aber wir hofften, Sie wären in der Lage, uns etwas mehr über Allardyce zu erzählen, und uns sozusagen Zeit zu ersparen.«
Pendreighs blonde Augenbrauen gingen in die Höhe.
»Allardyce? Sie glauben, er könnte etwas damit zu tun haben? Oberflächlich betrachtet scheint es wahrscheinlich. Der Angriff galt sicher dem Modell, und meine arme Tochter kam zufällig im ungünstigsten Moment dazu.«
»Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, Sir«, antwortete Runcorn. »Mrs. Beck war eine sehr schöne Frau. Ich glaube wohl, sie hat bei einer Reihe von Gentlemen Bewunderung erweckt. Allardyce scheint leidenschaftliche Gefühle für sie gehegt zu haben.«
»Sie war sehr viel mehr als einfach nur schön, Mr. Runcorn«, sagte Pendreigh, dem es offensichtlich
schwer fiel, seine Stimme zu beherrschen. »Sie besaß Mut, Fröhlichkeit und Phantasie. Sie war der wunderbarste Mensch, den ich je kannte.« Er senkte die Stimme, wodurch sie ein wenig feierlich klang. »Und sie hatte ein Gerech- tigkeits- und Moralempfinden, das sie zu großartigen Taten inspirierte – und rechtschaffene Visionen.«
Darauf gab es keine Antwort, und es wäre banal und aufdringlich gewesen, ihr Mitleid zum Ausdruck zu bringen, das im Vergleich zu Pendreighs Kummer nur oberflächlich sein konnte.
»Ich glaube, sie hat Dr. Beck kennen gelernt, als sie in
Wien lebte«, bemerkte Monk.
Pendreigh sah ihn überrascht an. »Ja. Ihr erster Mann war auch Österreicher. Er starb jung, und Elissa blieb in Wien. Dort fand sie wirklich zu sich selbst.« Er atmete sehr tief ein und langsam wieder aus. Er sah sie nicht an, sondern schaute irgendwo in die Ferne.
»Ich fand sie immer schon bemerkenswert, aber erst damals wurde mir klar, wie selbstlos es von ihr war, ihre Zeit und ihre Jugend – ja, sogar ihr Leben – aufs Spiel zu setzen, um an der Seite der unterdrückten Menschen ihrer Wahlheimat für die Freiheit zu kämpfen.«
Monk warf Runcorn einen raschen Blick zu, aber keiner von beiden unterbrach ihn.
»Sie gehörte im April achtundvierzig einer Gruppe von Revolutionären an«, fuhr Pendreigh fort. »Sie schrieb darüber, voller Mut und Begeisterung.« Er wandte sich ein wenig von seinen Besuchern ab, und seine Stimme wurde rauer, aber er sprach weiter.
»Ist es nicht absurd, dass sie jeden Tag dem Tod ins Auge sah, Nachrichten in die feindlichen Büros und Salons überbrachte, genau an die Orte, wo die Unterdrückung geplant wurde … durch Straßen und Gassen ging, im
Oktober sogar über die Barrikaden, und das alles mit kaum mehr als ein paar Kratzern und blauen Flecken überstand – um dann in London im Atelier eines Künstlers zu sterben?« Er hielt plötzlich inne, seine Stimme erstarb.
Runcorn und Monk schwiegen, wie es der Anstand gebot.
»In Wien lernte Elissa Kristian Beck
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