Gefaehrten der Finsternis
zumindest nicht offen. Unterwegs hatten die Freunde besprochen, dass sie zunächst einmal tun wollten, was Ventel sagte, bis er sich wieder erholte und alles wieder wie früher sein würde. Lyannen hatte so sicher und entschieden behauptet, sein Bruder würde wieder er selbst werden, dass die anderen ihm widerspruchslos geglaubt
hatten. Schließlich war es ja verständlich, dass Ventel nach all dem, was er durchgemacht hatte, ein wenig durcheinander war. Der Einzige, der nicht so recht daran glauben konnte, dass Ventel sich zurückverwandeln würde, war Lyannen selbst. Vielleicht lag es daran, dass sie früher eine so intensive brüderliche Verbundenheit gehabt hatten. Auf jeden Fall wusste Lyannen, dass ihm als Einzigen wirklich klar war, wie tiefgreifend sich die Persönlichkeit seines Bruders nach der Verwundung und der plötzlichen Heilung verändert hatte.
Lyannen kniete sich hin, um Feuer zu machen.Als er die Feuersteine gegeneinanderschlug, spürte er plötzlich jemand hinter sich. Er drehte sich um, aber da war niemand. Und doch sagte ihm ein Kribbeln im Nacken, dass ihn jemand beobachtete.Aber in der Dunkelheit hinter ihm war nichts auszumachen. Er blies die Flammen an, bis sie hinreichend groß waren und versuchte, nicht mehr über diese dummen Gefühle nachzudenken.Vergeblich. Er spürte noch immer dieses merkwürdige Kribbeln und es wurde sogar stärker. Irgendwo da draußen hielt sich jemand versteckt und beobachtete ihn, da war er sich sicher. Doch wer war es? Wo war er? Und warum beobachtete er ihn?
Lyannen schaute sich um. Elfhall und Drymn waren damit beschäftigt, Kartoffeln zu schälen, Dalman kam gerade aus dem Gebüsch und brachte einen Arm voll trockener Zweige mit.Validen saß auf einem großen Stein wenige Meter von Lyannen entfernt und polierte die Klinge seines Schwertes. Das Pferd war an einem Baum festgebunden und schien ganz ruhig zu sein. Und Ventel? Wo war Ventel? Lyannen ließ seinen Blick hastig über die gesamte Lichtung springen, aber er konnte ihn nicht entdecken. Besorgt schnellte er hoch und ließ dabei den Feuerstein fallen.
»Drymn«, rief er aufgeregt. »Wo ist mein Bruder?«
Drymn schaute von den Kartoffeln auf und starrte ihn überrascht an. »Lyannen, was hast du denn?« Er lächelte schwach. »Er sitzt doch da, direkt hinter dir!«
Lyannen wandte sich um. Und wirklich saß da Ventel auf einem Baumstumpf und fuhr mit einem Lumpen über die Klinge seines Schwertes. Er machte den Eindruck, als habe er sich nicht von der Stelle gerührt, seit sie hier angehalten hatten. Und doch war Lyannen sich sicher, dass er vor einer Minute noch nicht dort gesessen hatte.
»Lyannen, geht es dir gut?«, fragte Drymn besorgt.
Lyannen schüttelte den Kopf und erwiderte gereizt: »Das fragt ihr mich andauernd, seit wir aufgebrochen sind. Warum? Glaubt ihr vielleicht, dass ich nicht Manns genug für diese Reise bin? Glaubt ihr, dass ich nicht mit euch mithalten kann? Nur weil ich ein Halbsterblicher bin?«
Drymn schaute ihm tief in die Augen. »Niemand hat das je auch nur einen Moment lang gedacht«, sagte er. »Wenn wir dich fragen, ob es dir gut geht, dann sicher nicht, weil wir denken, dass du der Aufgabe nicht gewachsen bist. Ich selbst bin im Moment viel erschöpfter als du. Aber in letzter Zeit hast du ganz schön was mitmachen müssen. Erst hat man dir dein Mädchen geraubt. Dann hat in Feenquell die Königin eine Prophezeiung über deinen Vater erwähnt. Sie hat uns praktisch gesagt, dass der Feind alles daran setzen wird, ihn umzubringen, denn solange er lebt, wird Dardamen nicht fallen. Ich kannte diesen Spruch nicht. Es muss hart für dich sein zu wissen, dass dein Vater ständig in Lebensgefahr schwebt. Und dann Ventels Verletzung, diese schreckliche Nacht, in der er eigentlich schon im Sterben lag. Und jetzt diese Veränderung, seit er wieder geheilt ist. Du musst einiges durchmachen.« Er schwieg einen Moment nachdenklich. »Deshalb frage ich dich, wie es dir geht. Weißt du, wenn dich Sorgen quälen, dann solltest du darüber reden.Wir sind doch Freunde, oder etwa nicht? Und wir sind für dich da, wenn du uns brauchst.«
Mit einem langen unglücklichen Seufzer setzte sich Lyannen wieder hin, dabei hielt er den Kopf gesenkt, damit ihm die rabenschwarzen Haare ins Gesicht fielen und Drymn nicht sehen
konnte, was er fühlte. »Es stimmt, ich mache mir um vieles Sorgen«, sagte er. »Viel mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich danke dir für dein Angebot, aber ich behalte
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