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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chiara Strazzulla
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viel weniger - und den allermeisten der Gäste, die ein Stockwerk tiefer saßen, würde Slyman nicht mal im Mondschein begegnen wollen.
    Dass sich Rabba Nix in dieser Umgebung mit einer solchen Unbefangenheit bewegte, kam Slyman seltsam vor: Er konnte einfach nicht verstehen, dass sich irgendjemand an einem Ort wie Kalka Nadd wohlfühlen konnte. Unter all den unterschiedlichen
Leuten, die Slyman bisher in der Stadt gesehen hatte, war niemand gewesen, der rechtschaffen und anständig gewirkt hätte. Er hätte Rabba Nix am liebsten gefragt, was er Leuten dieser Art zu schaffen hatte und wie es kam, dass er jemanden wie Ferlandan kannte.Aber das waren nur zwei der zahllosen Fragen, die er dem Ka-da-lun eigentlich gerne gestellt hätte. Er fragte nicht. Sie waren nur zufällige Reisegefährten, die den gleichen Weg hatten. Sie waren eine Zweckgemeinschaft, Zuneigung war nicht im Spiel. Und deshalb wäre Slyman jede Frage, die nicht den Weg betraf, unangebracht vorgekommen.
    Durch das halb geöffnete Fenster drangen die Geräusche aus dem Gastraum. Unterhaltungen in zahlreichen Sprachen, helle Stimmen, raue Stimmen, jemand grölte, weiter hinten stritten sich Leute, dann wieder Gelächter und Schreie. Die meisten Sprachen kannte Slyman nicht einmal, von einigen verstand er nur ein paar Brocken. Seufzend lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand und merkte, dass er ziemlich müde war und eigentlich schlafen sollte, aber bei dem Lärm und dem Rauch, der noch die Luft erfüllte, würde das beinahe unmöglich sein. Als er ihn seufzen hörte, riss Rabba Nix seinen Blick vom Feuer los und wandte sich seinem Reisegefährten zu. Seine kleinen dunklen Augen musterten ihn genau.
    »Du warst noch nie an einem Ort wie diesem hier, stimmt’s?«, sagte er und lächelte seltsam. »Das sieht man nämlich. Du solltest mal sehen, was du ständig für ein Gesicht ziehst. Wäre ich nicht bei dir, hätte man dir schon alles gestohlen, was du am Leib trägst, einschließlich der Hosen. Sag mal: Was hast du denn geglaubt, wie weit du allein kommen würdest? Es erstaunt mich, dass dieser berühmte Einsame dich so losgeschickt hat. Du kannst doch noch nicht einmal einen Ka-da-lun von einem P’shog unterscheiden.«
    »Das stimmt nicht!« Beleidigt zog Slyman sich hoch. »Ich kenne alle Gnomenvölker! Die Ka-da-lun sind Waldgnome,
sie haben grüne Haut und rote Haare, sind friedlich, aber leider Diebe und Lügner.« Er gab vor, Rabba Nix’ eingeschnappte Miene zu übersehen, und er staunte über sich selbst, weil er sich sogar etwas darüber freute. »Die P’shog dagegen sind Gebirgsgnome. Ihre Haut ist bronzefarben und sie haben dunkle Haare und sind sehr gute Kämpfer, obwohl sie eigentlich abgelegen in ihren Dörfern leben und nur selten ins Tal hinabsteigen. Zufrieden mit der Antwort?«
    Er erwartete nicht unbedingt, Komplimente für seine Ausführungen zu ernten, aber er war trotzdem beinahe wütend, als Rabba Nix nur in ein lautes, betontes Gähnen verfiel. »Das hast du ja schön auswendig gelernt!«, kam die trockene Antwort. »Ich wäre beinahe eingeschlafen. So beschreibt man nur Wesen, die man noch nie gesehen hat. Du hast noch nie einen P’shog persönlich kennengelernt, sonst wüsstest du, dass sie sehr gern ins Tal hinabsteigen, wenn sie jemand dafür bezahlt, und du würdest es dir lange überlegen, ehe du behauptest, alle Ka-da-lun seien friedfertig, wenn du bestimmte Banden kennen würdest, die sich in meiner Gegend herumtreiben.Was den Punkt ›Diebe und Lügner‹ betrifft, so kann ich dir sagen, dass ich ein ganz miserabler Dieb bin und ein noch schlechterer Lügner.« Dann stand er auf, um einen weiteren Scheit Holz zu holen. Als er ihn ins Feuer warf, stoben helle Funken auf. »Weißt du, welche Legende über die Herkunft unserer Völker man sich bei uns im Reich der Wälder erzählt?«
    Slyman schüttelte den Kopf. Und hoffte, dass Rabba Nix sie ihm erzählen würde. Als sie noch gemeinsam herumzogen, hatte ihm der Einsame abends vor dem Feuer immer eine Geschichte erzählt und er hatte gar nicht genug davon bekommen können. Er hätte stundenlang zuhören können und wollte immer neue Legenden von ihm hören.
    Rabba Nix machte es sich mit verschränkten Beinen vor dem Kamin bequem. »In sehr alter Zeit...«, begann er in einem wichtigtuerischen
Tonfall, der Slyman ein Lächeln entlockte, »… hatte der Gott der Götter beschlossen, nur zwei Völker zu erschaffen: die Ewigen und die Feen. Und damals lief alles

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