Gefaehrten der Finsternis
der Sire erst nach aufmerksamerer Betrachtung herausfinden können. Es wäre allerdings höchst unhöflich gewesen, seinen Gast so genau zu betrachten.
»Ich stehe Euch zur Verfügung, Kommandant«, begrüßte Myrachon den Neuankömmling gemessen. Er neigte elegant seinen Kopf.
»Admiral«, berichtigte ihn Theresian. Seine Stimme war klar, doch er hatte einen seltsamen Akzent. »Seit ich hier angekommen bin, nennen mich alle nur Kommandant. Ein harmloser, verständlicher Irrtum, aber bei uns unten im Süden haben wir andere Titel. Die genaue Bezeichnung lautet Admiral.« Er schien sich plötzlich an etwas zu erinnern, das ihm entfallen war, denn mit einer übertrieben dramatischen Geste schlug er sich mit der Hand an die Stirn und rief aus: »Ach natürlich: Ich stehe Euch natürlich ebenfalls zur Verfügung, Herr.«
»Sire«, sagte Myrachon knapp. »Ich weiß nicht, wie das bei Euch heißt, aber die genaue Bezeichnung lautet Sire.«
»Für Eure Untertanen selbstverständlich«, erwiderte Theresian.
»Auch Ihr gehört zu meinen Untertanen«, bemerkte Myrachon, der seine Verärgerung nicht verbarg.
»Ich bin ein freier Mann, nichts anderes«, sagte Theresian leichthin. Sein Lächeln wirkte strahlend. »Ich weiß, meine Heimat
gehört zum Ewigen Königreich. Formal ist das wohl immer noch so. Niemand hat uns je die Unabhängigkeit gegeben, aber wir haben auch nie darum gebeten.Warum sollten wir? Uns geht es auch so gut. Ihr habt im Laufe der Zeit mehr oder weniger vergessen, dass es uns überhaupt gibt, und da haben wir unser Leben selbst in die Hand genommen. Deshalb, wenn meine Leute eines nicht brauchen, dann ist es ein König.Versteht mich nicht falsch. Ich sage nicht etwa, dass Ihr überflüssig seid. Ich sage nur, dass ich meine Truppen nicht als Untertanen hierher bringe, sondern als Verbündete.«
Myrachon entspannte sich etwas. Bei den ersten Worten von Theresian hatte er schon begonnen, sich ernsthafte Sorgen zu machen, doch dann waren seine Ausführungen im Rahmen des Vorhersehbaren geblieben. Seine letzten Worte waren genau so gewesen, wie der Sire es erwartet hatte. Und doch: Myrachon spürte irgendetwas Falsches, irgendeine Unstimmigkeit an Theresian … Aber es war ihm bisher nicht gelungen zu erkennen, was es war. Nun bemühte er sich, nicht weiter darüber nachzudenken. »Treue ist mir genug«, sagte er.
»Das liegt auch in meinem Interesse«, erwiderte der Ewige aus dem Süden kalt.
Darauf folgte einen Augenblick gespannter Stille. Bei dem letzten Satz war es dem Sire ohne offensichtlichen Grund eiskalt den Rücken heruntergelaufen. In Theresians Formulierung hatte nichts Böses oder Besorgniserregendes gelegen. Ein beinahe vorhersehbarer Satz. Doch so wie er ihn ausgesprochen hatte, passte etwas nicht. Und auch an dem Mann stimmte irgendetwas nicht. In beiden Fällen handelte es sich nur um ein winziges Detail, unmöglich, es zu greifen.
»Wie viele Männer habt Ihr mitgebracht?«, fragte Myrachon und bemühte sich, ruhig zu klingen.
»Zweitausend«, erwiderte Theresian.
Zweitausend! Das Herz des Königs schlug vor Freude. So viele!
»Das ist die Hälfte unserer Streitkräfte«, fügte Theresian hinzu. »Beinahe die Hälfte. Die andere muss zurückbleiben, um unsere Städte zu verteidigen. Wir sind untröstlich, dass wir Euch keine bedeutendere Zahl schicken können.Vielleicht hätten wir dieses Wagnis eingehen müssen.Wie heißt es so schön:Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«
»Man sagt aber auch: Man weiß immer, wo man aufbricht, aber nie, was einen bei der Ankunft erwartet«, sagte der König und warf seinem Gesprächspartner einen durchdringenden Blick zu. »Und dieses Unternehmen - es wäre sinnlos, das zu leugnen -, ist ein verzweifeltes.Wir brechen auf, weil wir keine andere Wahl haben. Eure Entscheidung ist mutig, weise, großzügig und vernünftig gewesen. Ich kann Euch dafür nur dankbar sein.«
»Dankbar!« Jetzt lachte Theresian heiter auf. »Und wofür? Wir hätten die Truppen auch geschickt, wenn wir formal unabhängig wären. Und nicht einmal dann müsstet Ihr uns dankbar sein.Wir haben die Leute in unserem eigenen Interesse entsandt. In der Welt da draußen regiert der Egoismus, Herr Sire. Doch das bekommt nur der mit, der seine Nase vor die Tür streckt.«
Der Sire deutete ein ironisches Lächeln an. Der Herr Admiral hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon er redete. »Wie alt seid Ihr?«
»Achtzehntausendsiebenhundertzweiunddreißig Jahre«, antwortete Theresian
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