Gefaehrten der Finsternis
zusammen mit Slyman von dort aufgebrochen. Jetzt plante er wieder, von dort loszuziehen, diesmal zusammen mit Viridian und den Droqq, und zwar in die andere Richtung. Zwei völlig unterschiedliche Situationen. Ja, er kehrte wieder um. Er hätte das nie für möglich gehalten, aber so war es.
Er kehrte wieder um.
Die Welt, die er vor so langer Zeit verlassen hatte, würde schon bald zur Kenntnis nehmen müssen, dass er noch lebte. Und vielleicht würde ihn sein Weg ja wieder zu Leuten führen, die ihm etwas bedeuteten. Namen und Gesichter kamen ihm wieder in den Sinn, von Weggefährten, die er einst geliebt und von denen er angenommen hatte, dass er sie vergessen hatte. Stattdessen waren sie nur all die Jahre in seinem Gedächtnis verschollen gewesen und hatten auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, aus der Vergessenheit hervorzutreten. Hauptmann Vandriyan, der Einzige, der von seinen Geschwistern, den Ersten, überlebt hatte! Sie hatten sich zunächst gemeinsam aus der Welt zurückgezogen, doch dann hatten sich ihre Wege getrennt und sie hatten einander ganz bewusst aus den Augen verloren. Greyannah der Statthalter, ein Freund, mit dem er so viele Abenteuer erlebt hatte. Ein wackerer Trinkkumpan, ein bisschen verrückt, aber ein brillanter Stratege. Brandan Stolzblitz, der Hauptmann der Berittenen Blitztruppen, der letzte Nachkomme ruhmreicher Helden der Vergangenheit, der zu Pferd schneller war als der Nordwind. Und dann natürlich Slyman. Von allen, die ihm in den Sinn gekommen waren, sehnte er sich am meisten danach, ihn wiederzusehen.Vielleicht war Slyman der Einzige, den er wirklich brauchte.Viridian war ein lieber Freund und ein sympathischer Gefährte, aber er konnte Slyman nicht ersetzen. Für den Einsamen war Slyman wie ein Sohn, ja, er bedeutete ihm vielleicht sogar mehr als ein Sohn. Inzwischen kümmerte es ihn nicht mehr, welches Schicksal auf ihn
wartete - Slyman gehörte mehr zu ihm als zu irgendjemand anderem. Keiner hatte das Recht, ihm den Jungen wegzunehmen. Er wollte ihn wiederhaben.
Zumindest wollte er ihn wiedersehen.
»Mardyan?« Viridians Stimme brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück. Er drehte sich um,Viridian sah ihn eindringlich an und lächelte. »Ich sehe, dass du in Gedanken bist. Darf man erfahren, woran du denkst?«
»An jemanden«, antwortete der Einsame. Einerseits drängte es ihn, über Slyman zu reden, andererseits wollte er seine Gedanken lieber für sich behalten. »An jemanden, den ich sehr gern habe und von dem ich fürchte, dass ich ihn für immer verloren habe.«
»Eine Frau?«, fragte Viridian interessiert und fast ein wenig taktlos.
Der Einsame rieb sich die Augen und drehte Viridian den Rücken zu, damit der es nicht bemerkte. Er konnte über Slyman und auch über Laila, seine ermordeten Kindern und alle schmerzvollen Erfahrungen seines absurd langen Lebens sprechen, ohne zu weinen. Das hatte er sich geschworen: Er würde nie mehr über irgendetwas weinen. »Nein«, sagte er und seine Stimme war wenig mehr als ein Flüstern. »Nicht an eine Frau, an einen Sohn.« Als er dieses Wort aussprach, sträubte sich zunächst etwas in ihm, doch er achtete nicht weiter darauf. Das war keine Lüge. Jenseits aller Blutsbande war Slyman mit Sicherheit mehr sein Sohn als der eines anderen.
Viridian fragte nicht weiter, vielleicht war ihm klar geworden, dass er ein wenig zu forsch und direkt gewesen war. Mit seinen Fragen musste er dem Einsamen schmerzhafte Erlebnisse in Erinnerung gerufen haben, die er besser hätte ruhen lassen. Schweigend schritten sie voran, hielten ihre Augen nach Südwesten gerichtet, wo sich allmählich das scharfe Profil des Schroffen abzeichnete. In einiger Entfernung folgte ihnen der lärmende, chaotische Haufen der Droqq, die von der Überlegenheit dieser
beiden, für sie göttergleichen Männer eingeschüchtert waren. Es war schon ein merkwürdiges Bild, dass sie da boten: die Droqq in einer dicht gedrängten Schar, eine lärmende und ungeordnete Truppe, die marschierte, ohne eine genaue Vorstellung von ihrem Ziel zu haben, aber darauf brannte, zu kämpfen und sich zu beweisen. Und dann zehn, zwölf Schritte weiter vorne die beiden Ewigen mit ihren Gesichtern, die die ganze Weisheit ihres Alters widerspiegelten,Viridian in Schwarz mit goldenen Locken und der Einsame groß und rätselhaft in seinem violetten Umhang, beide genauso vornehm und elegant, wie die Droqq grob und ungeschlacht waren. Der Einsame hatte sich während ihres schweigenden
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