Gefährten des Zwielichts
zollen.«
»Allerdings«, warf Fürst Sukan ein. »Da fragt man sich doch, wie das Kästchen in den Besitz dieses Wichtels gelangte. Elfen und Zwerge haben wir verdächtigt, und ich wundere mich jetzt, warum niemals jemand an die Wichtel dachte ...«
Darauf hätte Wito ihm eine Antwort geben können. Unter den großen Völkern galten Wichtel so wenig wie Gnome und wurden ebenso leicht übersehen. Immerhin hatte sogar Wito selbst übersehen, dass ein Wichtel mit am Ratstisch saß.
Im Augenblick aber war er froh, dass Sukan sich auf einen Streit mit dem Zauberer einließ. So merkte der Mensch nicht, wie der winzige Gnom, geschickt in Gewandfalten verborgen, flink seine Hose emporkletterte und sich in einer Tasche verkroch.
Unten am Boden sah er Darnamur, der soeben auf den Schuh des Fürsten sprang und gleichfalls mit dem Aufstieg begann. Er überzeugte sich rasch, dass keiner von den Elfen oder den anderen großen Leuten nach unten sah. Aber die Gnome blieben weiterhin unbemerkt.
»Das sind alte Geschichten«, sagte Gulbert. »Wer auch immer damals das Kästchen stahl und warum er es tat, spielt doch heute keine Rolle mehr. Diese Wichtel jedenfalls sind so unschuldig wie jeder andere. Der Dieb ist längst tot und vergessen, und wir schulden es Chaspard, ihn nur nach seinen eigenen Taten zu bewerten.«
»Genau ...«, warf der Elfenkönig von der Seite ein.
»Und seid Ihr überhaupt ein Mitglied des Rates?«, fragte Sukan. »Ich wüsste nicht, dass Ihr über ein Königreich gebietet.«
Es wurde spürbar kühler in der Halle. Gulbert fixierte den Menschenfürsten mit eisigem Blick.
Unten am Boden sah Wito gerade Skerna als Letzte ankommen. Darnamur streckte ihr eine Hand hin und half ihr hinter die Stiefelschnalle - ihr bewährtes Versteck.
»Ich bin ein Veteran«, sagte Gulbert. »Und seit tausend Jahren hat niemand meine Gegenwart in diesem Rat in Frage gestellt.«
»Ein Veteran ... des ... Großen Krieges ...«, setzte Sukan an. Alle Flammen im Saal schienen schwächer zu brennen. Die Öllampen wurden zu bloßen Funken in bunten Glaszylindern, das muntere Knacken und Zischen im Kamin verstummte, und nur noch wenige rote Flämmchen leckten matt und kraftlos wie zähes Öl über die Scheite. Wito wusste nicht zu sagen, ob das Feuer schon länger so weit heruntergebrannt war oder ob es eben in diesem Augenblick zu ersticken drohte.
Die Schatten im Saal wurden dunkler, ballten sich drückend um das letzte Licht.
»Wenn ... Ihr es sagt«, flüsterte Sukan.
Die Ratsmitglieder schwiegen.
»Gut«, sagte Gulbert fröhlich. »Dann können wir ja an den Tisch zurück und die Beratungen fortsetzen.«
Unschlüssig standen Menschen, Elfen und Zwerge da. Mit einem lauten Knall barst funkensprühend ein Holzscheit im Kamin, und lustig züngelnde Flammen rankten sich daran empor. Alle zuckten zusammen.
Der Zauberer ging zum Tisch zurück und schob den Wichtel Chaspard vor sich her. Hastig folgten ihm Gredin und Sebir, die Wichtel aus der Schatzkammer.
Langsam setzten sich auch die übrigen Ratsmitglieder in Bewegung, das Gespräch lebte wieder auf, und alles war wie vorher. Perbias blickte auf die Tür der Kammer, auf sein Dienstpersonal, tat dann auch einen Schritt - und fiel der Länge nach hin.
»Jaaa!«, hörte Wito deutlich Skernas Stimme durch den gedämpften Trubel. Er spähte aus seiner Tasche heraus und sah, wie die Gnomin Darnamur angrinste, dann zu ihm hochschaute und triumphierend die Faust hob.
Perbias hatte sich halb wieder aufgesetzt und starrte überrascht auf die Riemen seines Schnürschuhs, die sich gelöst hatten und sich über den Steinboden ringelten.
5. K APITEL:
K ATERSTIMMUNG NACH DEM M AIFEST
I M L AUFE DER J AHRHUNDERTE STARBEN AUCH DIE LANGLEBIGEN Z WERGE . A LS IM R AT DER F REIEN KAUM MEHR EIN V ETERAN DIESES V OLKES VERTRETEN WAR , SCHLOSS SICH DER E LFENKÖNIG P ERBIAS DER G EMEINSCHAFT AN . I M H ANDSTREICH KONNTE ER SEINEN R ANG GELTEND MACHEN , DIE UNEINIGEN F ÜRSTEN VON B ITAN GEGENEINANDER AUSSPIELEN UND DEN V ORSITZ AN SICH REISSEN . S EITHER TAGT DER R AT IN DER E LFENFESTUNG K ELADIS .
I N DER Z EIT DANACH WANDELTE SICH SEINE B EDEUTUNG . D IE G RAUEN L ANDE UND DIE B EDROHUNG DURCH DIE F INSTERVÖLKER GABEN DEN IM R AT VERSAMMELTEN V ÖLKERN EIN GEMEINSAMES A NLIEGEN , DAS JEDOCH IMMER MEHR ZUM UNVERFÄNGLICHEN V ORWAND WURDE , UNTER DEM DIE VERFEINDETEN A NFÜHRER ZU GEMEINSAMEN G ESPRÄCHEN ZUSAMMENTREFFEN KONNTEN . D ER R AT DIENTE DIPLOMATISCHEN Z USAMMENKÜNFTEN
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