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Geheime Macht

Geheime Macht

Titel: Geheime Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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Hopfen und Gerste. Bier. Kate drückte den Honigbär, worauf ein Strahl aus goldgelbem Honig auf die Runen träufelte.
    Roman beugte sich zu mir vor. »Das sind nordische Runen.«
    Ich sah ihn sprachlos an.
    »Keine slawischen«, sagte Roman. »Ich wollte nur auf den Unterschied hinweisen.«
    Er machte den Eindruck, dass er vor Aufregung kaum an sich halten konnte.
    »Jetzt«, sagte Kate.
    Ich atmete einmal tief durch, packte den Kopf des Hirsches und zog seine Kehle über die ausgehöhlte Mulde im Stein. Der Hirsch starrte mich mit panisch geweiteten Augen an. »Tut mir leid, mein Junge.« Kate hob ihr Messer und schnitt dem Tier die Kehle auf. Der Hirsch schlug mit den Läufen aus, aber ich hielt ihn fest. Der Geruch von warmem, frischem Blut schlug mir entgegen und schärfte meine Sinne.
    Kate schüttelte die Runen, indem sie sie lose in der Hand hielt, und ich sah winzige Lichtblitze zwischen ihren Fingern.
    »Ich rufe dich herbei, Hakon. Erhebe dich aus deinem Grab. Komm und koste vom Blutbier.«
    Ein zischendes Geräusch wurde hörbar, von alten Knochen, die zertreten wurden, von knirschenden mumifizierten ledrigen Muskeln, begleitet von einem unheimlichen, bösartigen Flüstern. Ich roch Übelkeit erregenden Verwesungsgestank, die Erde, den Staub, den Schleim, als hätte jemand meinen Kopf in ein Grab gesteckt. Magie überschwemmte uns, brachte Eiseskälte mit. Frost überzog den Boden zu meinen Füßen.
    Von außerhalb der Lichtung strömte der Nebel auf uns zu und wurde immer dichter. Er stöhnte wie etwas Lebendes, mit qualvoller Stimme, floss zu einer menschenähnlichen Gestalt zusammen und verflüchtigte sich, um ein Wesen zurückzulassen.
    Es war einen Meter achtzig groß und bestand aus trockenem Knorpel und jener besonderen ledrigen Haut, die man normalerweise an Vampiren sah, nur dass seine Haut blaugrau getönt war. Keine Zelle Fett war an der mageren Gestalt zu erkennen. Das Wesen trug ein Kettenhemd und Schulterplatten aus Metall, doch beides passte ihm nicht besonders gut – die Dinge hingen leicht schief an ihm, da sie offensichtlich für einen erheblich dickeren Körper gemacht waren. Der Draugr hob den Kopf und sah mich an. Sein Gesicht hätte sich gut als Anatomiemodell geeignet – jeder Muskel zeichnete sich so deutlich unter der dünnen Hautschicht ab, dass es abstoßend fremdartig wirkte. Seine kalten Augen starrten mich an, matt und pupillenlos.
    Der Untote senkte den Kopf und leckte an der Mischung aus Blut und Bier.
    Vor Übelkeit drehte sich mir der Magen um. Es hatte etwas völlig Falsches, wie dieses unnatürliche untote Ding das Blut eines Geschöpfes aufschleckte, das noch vor wenigen Augenblicken am Leben gewesen war.
    »Das ist vorerst genug«, sagte Kate.
    Der Untote hob den Kopf mit dem blutigen Gesicht. Sein Mund bewegte sich und ich sah, wie sich die ledrigen Sehnen seiner Muskeln spannten und verzogen. Würg.
    Seine Stimme klang schaurig, heiser und uralt. »Ich kenne dich. Ich kenne deine Witterung.«
    Kate starrte ihm direkt ins Gesicht. »Ich habe dir Blutbier als Geschenk mitgebracht.«
    »Dummes Fleisch. Dummes, dummes Fleisch.«
    Der Draugr beugte sich wieder zum Bier hinab.
    »Nein«, befahl Kate.
    Der Draugr stützte sich auf dem Stein ab. »Ich bin Hakon, der Sohn eines Jarl, die Geißel der Meere, der Fleischverschlinger. Was willst du von mir, mageres Fleisch?«
    »Ich will deinen Schild sehen«, sagte Kate.
    Der Draugr drehte den Kopf. »Meinen Schild?«
    »Den Schild, den du trugst, als du von Vinland hierher gesegelt bist, um das Gold der südlichen Stämme zu rauben.«
    »Der skraelingar «, sagte der Draugr.
    »Ja. Das Gold der skraelingar . Du bist mit zwei Schiffen losgezogen, um danach zu suchen. Du erinnerst dich?«
    »Ich erinnere mich …« Die Stimme des Draugr verhallte. »Ich erinnere mich an alles. Vögel mit Flügeln, die den halben Himmel verdeckten. Ich erinnere mich an die Magie der skraelingar . Ich erinnere mich an den Pfeil in meinem Rücken. Ich erinnere mich, dass man meine Leiche zurückgelassen hat, damit sie verrottet.«
    »Erinnerst du dich an deinen Schild?«, hakte Kate nach.
    Der Draugr senkte den Kopf zum Bier.
    Kate hielt die Runen fest in der Hand. »Wenn du das Bier willst, musst du mir deinen Schild zeigen.«
    Ein böses kaltes Feuer loderte in den Augen des Draugr und tropfte in brennenden Tränen von seinem Gesicht. »Ich werde dich verschlingen. Ich werde deine Knochen sauber lecken und sie zwischen meinen Zähnen zermalmen.

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