Geheime Macht
wodurch das Gift herausgespült wird. Wenn wir das Gift entfernen können, werden deine Überlebenschancen beträchtlich steigen.«
Die winzigen Haare in meinem Nacken hatten sich aufgerichtet. Ich war müde, so müde, und mein Körper fühlte sich an, als hätte man ihn mit einem Sack voller Steine verprügelt. Der bloße Gedanke an Silbernadeln ließ mich zusammenzucken.
»Du schaffst das«, sagte Raphael. »Tu nicht wie ein kleines Mädchen.«
»Du kannst mich mal.«
»So ist es richtig«, sagte er. »Na los, starke Frau! Zeig mir, was in dir steckt!«
Ich umklammerte die Armlehnen des Stuhls. »Mach es.«
Raphael legte die Hände auf meine rechte Schulter und hielt mich auf dem Stuhl fest. Barabas packte mich von der linken Seite.
Doolittle zog ein Skalpell hervor. Seine Hand zuckte, viel zu schnell, um etwas Genaues erkennen zu können. Ein scharfer Schmerz stach in meinen Arm. Schwarzes Blut quoll aus der Wunde, und Doolittle wischte es mit Verbandsmull ab. »Jetzt kommt der Stich.«
Eine glühend heiße Nadel grub sich in meinen Arm. Mein gesamter Körper schrie in Panik auf. Es fühlte sich an, als hätte jemand ein Loch in den Muskel gebohrt und würde nun geschmolzenes Metall hineingießen.
»Behalt sie drin«, sagte Doolittle mit sanfter Stimme zu mir. »Du machst das wunderbar. Wunderbar. Drinbehalten. Nur noch einen kurzen Moment …«
Ich knurrte und zerrte mit der linken Hand an der Armlehne. Barabas hielt mich fest.
»Hat dir die Nachricht auf dem Küchentisch gefallen?«, fragte Raphael.
»Ich war begeistert«, stieß ich knurrend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich werde mich später dafür erkenntlich zeigen.«
Der Schmerz wurde immer schlimmer. Mein ganzer Arm schien zu brennen. Ich zitterte heftig.
»Vermeide eine Gestaltwandlung«, sagte Doolittle. »Du machst das gut. Du machst das sehr gut. Nur noch ein bisschen. Tu es für mich, Andrea.«
Der Schmerz fraß sich durch den Muskel bis zum Knochen und kratzte mit rauen Zähnen daran. Ich knurrte.
»Faaast geschafft«, säuselte Doolittle. »Fast.«
»Wir haben dich im Griff«, sagte Barabas zu mir. »Wir halten dich fest.«
Ich konnte es nicht mehr aushalten. Keine Sekunde länger. Mein Körper wand sich, suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Auf meiner Haut erschienen Flecken.
»Nicht die Gestalt verändern«, befahl Raphael.
»Halt die Klappe.«
»Sei artig. Sonst werde ich dich vor allen anderen küssen.«
»Auf gar keinen Fall«, fauchte ich zurück. Ich musste durchhalten, damit ich ihm anschließend meine Faust ins Gesicht schlagen konnte. Ein lohnenswertes Ziel.
»Durchhalten«, sagte Doolittle. »Nur noch zehn Sekunden.«
Aaah. Es schmerzt. Es schmerzt, schmerzt, schmeeerzt …
»Austreiben«, sagte Doolittle unvermittelt.
Ich konzentrierte mich mit jeder Faser meines Willens auf den Schmerz.
Hitze breitete sich in mir aus und durchkämmte mein Fleisch mit stachligen Fingern.
Raus aus meinem Körper! Raus, verdammt!
Die Nadel erzitterte.
Ich schrie auf.
»Treib sie aus«, drängte Doolittle.
»Du schaffst es«, sagte Barabas.
Ich drückte. Die Nadel glitt hinaus, und kochend heißes Blut ergoss sich über meinen Arm. Es strömte grau, dann violett und schließlich hellrot. Raphael ließ meinen Arm los, und ich schlug ihm gegen den Brustkorb. Weil ich diesen Teil von ihm am leichtesten erreichen konnte.
»Braves Mädchen.« Doolittle atmete auf. »Gut gemacht.«
Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen und sah Ascanio an. Er starrte mich an. Seine Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen.
»Das sollte dir eine Lehre sein«, sagte Doolittle zu ihm. »Lass dich nicht beißen. Hol jetzt das Fleisch aus dem Kühlschrank. Andrea muss etwas essen.«
*
Es ist erstaunlich, wie gut ein Sandwich einem tun konnte – und erst recht drei. Mein Kopf hatte aufgehört, sich zu drehen, und ich hatte nicht mehr das Gefühl, dass meine Beine mich nicht tragen konnten. Ich betrachtete den geschrumpften Schinken, von dem Julie das Fleisch für meine Sandwiches geschnitten hatte. Es passte nicht mehr Essen in meinen Magen, aber ich hatte immer noch Hunger.
Doolittle stellte eine kleine Plastikschachtel vor mir ab und klappte den Deckel auf. Sechs ordentlich aufgereihte Ampullen.
»Gegengift«, sagte er und zeigte mir etwas, das wie eine Pistole aussah. »Hier kommt jeweils eine Ampulle rein. Wenn du das Klicken hörst, drückst du sie gegen die Haut und ziehst den Abzug durch. Nicht für Menschen
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