Geheime Macht
gut so, weil ich ihn sonst getötet hätte. Du siehst also, dass es für uns beide schwierig ist«, sagte Martina. »Ascanio hatte nie eine Mutter, und ich hatte keinen Sohn. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen, und wenn wir etwas finden, das einen von uns glücklich macht, seufzen wir beide vor Erleichterung. Ich mache ihm Cannoli, und er kauft mir Duftseife, von dem Geld, das er bei Cutting Edge verdient. Ich habe zwei Schubladen voll davon.« Ein kleines glückliches Lächeln erhellte ihr Gesicht. »Sollte dir jemals die Seife ausgehen, sag mir Bescheid. Ich habe genug, um das gesamte Rudel eine Woche lang sauber zu halten.«
Ich mochte sie wirklich. Es war mir vorher nicht klar gewesen, aber so war es. Trotzdem mussten noch einige Dinge angesprochen werden. »Aber du bist nicht hierher gekommen, um mir diese Geschichte zu erzählen, nicht wahr?«
»Nein. Ich bin gekommen, um über den Clan und Tante B zu sprechen.«
»Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen«, sagte ich, »aber es gibt nichts, das mich dazu bringen könnte, mit Tante B zusammenzuarbeiten. Ich werde nicht zu ihr gehen, und ich werde nicht darum betteln, in den Clan aufgenommen zu werden, damit ich eins von ihren Mädchen sein kann, die Botengänge für sie erledigen. Das wird nicht geschehen. Und ich finde es recht feige von ihr, dich zu schicken, damit du mit mir redest. Mit Gewalt hat es nicht funktioniert, und auch mit dir wird es nicht funktionieren. Also frage ich mich, welchen Zug sie als Nächstes plant. Wie viele Leute will sie noch schicken?«
»Sie hat mich nicht geschickt«, sagte Martina. »Das war mein Sohn.«
»Oh.«
»Weißt du, was ich für den Clan tue?«, fragte sie.
»Nein.«
»Ich bin Therapeutin«, sagte sie. »Ich habe mich auf die Bereiche Familientherapie, Wut- und Stressverarbeitung, Jugendpsychiatrie und Beratung in Trauerfällen spezialisiert. Ich gehöre zu den offiziellen Beratern des Rudels.«
»Ich bin kein Mitglied des Rudels«, erklärte ich.
»Ich weiß.« Sie lächelte. »Dies ist eine Gratisstunde.«
»Ich brauche keine Therapie.« Die Worte klangen heuchlerisch, sobald sie meinen Mund verlassen hatten. »Okay, vielleicht doch, aber ich brauchte keine … ich weiß auch nicht.«
»Das hier muss keine Therapiestunde sein«, sagte sie. »Wir könnten uns auch einfach nur unterhalten. Wir könnten über Deb und Carrie reden und wie sie sich auf deinem Parkplatz aufgeführt haben.«
Ich starrte sie an. »Wie viel hat Ascanio dir erzählt?«
»Er hat nichts über deine Vergangenheit gesagt«, antwortete sie. »Nur dass du es nicht leicht hattest, dass du misshandelt wurdest und Boudas in die Sache verwickelt waren. Aber er wollte, dass ich zu Tante B gehe und ihr erkläre, dass keine Boudas mehr in dein Territorium eindringen dürfen, weil sie dich damit zu sehr herausfordern. In seinen Worten: ›Sie wird in ihrem eigenen Haus terrorisiert.‹ Er macht sich Sorgen, dass du vielleicht jemanden tötest.«
»Da hat er recht«, bestätigte ich.
Martina zog ein kleines Diktiergerät hervor. »Das habe ich für dich aufgenommen.«
Sie drückte auf eine Taste. Tante B’s Stimme drang aus dem winzigen Lautsprecher.
»… sagte ich, dass ihr rübergehen und herausfinden sollt, worüber sie gesprochen haben. Ich sagte, dass ihr dezent vorgehen sollt. Habe ich gesagt, dass ihr irgendjemanden verprügeln sollt?«
»Nein, Ma’am«, antwortete Carrie leise.
»Und warum habt ihr entschieden, eigenmächtig zu improvisieren?«
»Wir dachten …«, begann Debbie und verstummte abrupt.
»Das würde ich an eurer Stelle nicht so oft tun. Wenn ihr zu denken anfangt, bringt euch das am Ende nur ein paar Knochenbrüche ein. Außerdem macht ihr mich sehr glücklich, wenn ihr das Denken mir überlasst. Ihr wollt mich doch glücklich machen, oder?«
»Ja, Ma’am«, riefen zwei weibliche Stimmen im Chor.
»Ich werde euch die Sache jetzt erklären, weil ich nicht möchte, dass ihr euch ausgegrenzt fühlt. Ihr habt gedacht, ihr könntet Andrea mühelos überwältigen, weil sie ein Tierabkömmling ist. Aber Andrea ist eine Überlebenskünstlerin. Ihr dürft sie niemals unterschätzen. Sie hat gelernt zu töten, sie ist darauf trainiert, und sie hat jede Menge Übung. Ihr kämpft aus Spaß und um die Rangordnung. Sie bestreitet jeden Kampf, als würde es dabei um ihr Leben gehen. Wenn ihr sie angreift, wird sie euch wie ein schlecht genähtes Kleid zerreißen. Außerdem versteht Andrea sehr viel von den Kräften,
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