Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Nachbar-Waschbecken und wusch mir gemächlich die Hände.
»Geht es wieder?«, fragte ich und sah Peters Spiegelbild an.
»Ja, aber ich glaube, ich möchte jetzt nach bald Hause. Ich habe heute Nacht nicht viel geschlafen. Ob Beverly...«
»Sie wird es verstehen«, unterbrach ich seine Frage.
Und Beverly verstand es wirklich. Als wir wieder zu ihr an den Tisch kamen, hatte sie bereits die Rechnung beglichen.
»Eigentlich wollte ich...«, begann ich.
»Keine Diskussion! Ich zahle. Es war meine Idee.«
»Vielen Dank Beverly. Das war wirklich ein schöner Abend«, sagte Peter, wobei ihm die Worte nur schwer aber überzeugend über die Lippen kamen.
Wir setzten Beverly zu Hause ab.
Es gelang mir dann doch noch, Peter zu überreden, für eine Weile zu mir zu kommen, um den Abend ausklingen zu lassen.
»Das Bier musst du aber selber mitbringen«, witzelte ich. Ich hatte Peter erzählt, dass ich keinen Alkohol mehr trank. Mehr jedoch nicht.
»Kein Problem. Ich gebe mich mit einer eiskalten Cola zufrieden.«
4
Es wurde zehn Uhr am Abend. Wir saßen in meinem großen Wohnzimmer, dessen komplette Rückseite zum Garten hin verglast war. Michelle beschwerte sich früher immer, dass, obwohl das Wohnzimmer aufs Meer zeigte, man eben jenes nicht sehen konnte, weil ein kleiner Hügel, der sich über mehrere Grundstücke erstreckte, die Sicht versperrte. Ein anderes Haus stand damals jedoch entweder nicht zum Verkauf oder überstieg mein Budget. Mir war das jedoch ganz recht, weil das Haus dadurch besser vor dem Wind geschützt war.
Peter und ich saßen hier oft gemeinsam bis spät in die Nacht zusammen. Wir ließen es dunkel und hatten, wenn überhaupt, dann nur den Fernseher als Lichtquelle stumm laufen. Viel geredet wurde nicht. Und wenn, dann sprachen wir über Sport. Meistens über Basketball. Ab und zu warfen wir beide auch ein paar Körbe auf meiner Garagenauffahrt.
An diesem Abend verfielen wir, wie so oft, wenn uns die Vergangenheit einholte, in ein langes Schweigen.
Irgendwann stand ich von meiner Couch auf und ging zur Hifi- Anlage, über der ich in einem großen Regal meine umfangreiche CD-Sammlung aufbewahrte. Ich brauchte nicht lange zu suchen.
Für diese Momente hatte ich immer die passende CD. Und was würde in dieser Nacht besser passen als Beethoven Mondscheinsonate? Es war Peters Lieblingsstück.
Immer wenn der Druck zu groß wurde und wenn die Erinnerung zu schmerzhaft war, bedienten wir uns der Musik. Wir mussten nicht über das sprechen, was uns bedrückte. Das übernahm die Musik für uns, denn sie war unser Kommunikationsinstrument. Wenn wir der Musik lauschten, bedurfte es keinerlei Worte. Nur wenn die Musik spielte, gab es unter uns ein einvernehmliches Verstehen, ein Teilen, das zwar nicht tröstlich, aber notwendig war. Notwendig zum Weiterleben.
Wir ließen die Klavierklänge durch den Raum driften, bis sich unsere Gedanken auf die gleiche Frequenz einstellten.
Ich dachte daran, wie es wäre, wenn ich wieder mit meiner Tochter zusammen wäre. Wie ich sie zum Lachen bringen würde und wie sie stolz auf ihren Papa wäre.
Das mag für Sie vielleicht naiv oder infantil klingen, aber ich werde mich dafür garantiert nicht schämen, weil es ungeheuer gut tat.
Peter, der auf dem Sessel mir schräg gegenüber saß, sah das, was nur für seine Gedanken bestimmt war, und was für ihn unerreichbar war.
Und so saßen wir im Dunkeln, lauschten der Musik, schauten durch uns hindurch und blickten in eine Gegenwart, die nicht existierte.
5
Es war weit nach Mitternacht, als Peter schließlich gehen wollte.
»Ich werde morgen noch mal Beverly anrufen und mich bei ihr für den schönen Abend bedanken. Ich dachte schon, ich würde heute alles versauen«, sagte Peter, als er sich seine Jacke anzog.
»Das wird sie bestimmt freuen.«
»Glaubst du, dass sie sauer auf mich ist, weil wir den Abend so plötzlich abgebrochen haben?«
»Mach dir keine Sorgen. Wir reden hier schließlich über Beverly. Sie wäre die Letzte, die nachtragend wäre.«
Peter nickte und schaute mich nachdenklich mit müden Augen an. »Danke noch mal für dein Geschenk. Ich werde es zu Hause gleich aufmachen.«
»Das kann auch bis morgen warten«, sagte ich.
Als Peter das Haus verlassen hatte, schloss ich die Tür und hielt inne.
Es war kurz vor ein Uhr morgens. Absolute Stille. Peters Panikattacke hatte mich viel mehr aufgewühlt, als ich mir gewünscht hätte.
Irgendwann bricht es durch
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