Geliebter der Nacht
»Hier ist es nicht ungefährlich für dich.«
Lexi hatte sich noch nie gern etwas befehlen lassen, vor allem nicht von Leuten, die meinten, sie beschützen zu müssen. »Ich will aber noch nicht gehen. Ich bin hergekommen, um mich zu amüsieren, und ich bleibe, bis ich mich genug amüsiert habe.«
Darius blickte zur Tanzfläche, wo Paare tanzten, die über den Musiklärm hinweg nichts von dem Kampf mitbekamen. »Na gut.« Er packte ihren Arm und zog sie in die Menge der Tanzenden.
Die farbigen Lichter huschten über die verschwitzten Körper der Leute, die sich dicht zusammengedrängt zur Musik bewegten. Lexi, die wild entschlossen war, Darius und sein chauvinistisches Gebaren geflissentlich zu ignorieren, gab sich den pulsierenden Klängen hin, schloss die Augen und wiegte sich im Rhythmus.
Dann fühlte sie seine Hände an ihrer Taille, die von dort über ihre Rippen wanderten, bis sie die Unterseite ihrer Brüste berührten.
»Du bist unglaublich!«, flüsterte er. »Eine Frau wie du ist mir noch nicht begegnet.« Für einen winzigen Moment berührte seine Zungenspitze ihre Ohrmuschel, und Lexi erbebte, was nichts mit der Musik zu tun hatte.
Sie versuchte, ein wenig Abstand zwischen ihnen zu schaffen, aber das ließ Darius nicht zu. Er schmiegte sich so nahe an sie, dass sie die Wölbung seiner Erektion durch das Leder seiner Hose und den Stoff ihres Kleides fühlen konnte.
Plötzlich waren zu viele Menschen um sie herum und ihre Gefühle zu unberechenbar. Wortlos bahnte sie sich einen Weg durch die Tanzenden hindurch zum Ausgang. Sie nahm sich nicht einmal die Zeit, nach Mai Ausschau zu halten. Ohnehin verließen sie die Clubs selten gemeinsam.
Verglichen mit der stickigen Wärme drinnen, war die frische Nachtluft draußen angenehm kühl. Das half ihr in ihrer gegenwärtigen Verfassung zwar nicht sehr, aber wenigstens konnte sie etwas klarer denken. Es gab nur ein einziges Heilmittel gegen ihre derzeitige Anspannung, und das befand sich hinter ihr in dem Club. Die Chance hatte sie allerdings verwirkt, also blieb ihr nur eine Alternative.
Nach einer kurzen Taxifahrt betrat sie Riccos Bar und steuerte geradewegs die Hinterzimmer an.
»Hi, Lexi«, begrüßte die Party-Organisatorin sie. »Ich sehe nach, ob er da ist.« Sie wusste inzwischen, dass Lexi nur dann kam, wenn sie Ricco treffen musste.
Selbstverständlich war Ricco da – momentan jedoch mit jemand anders beschäftigt. Das war Lexi egal. Nachdem er mit seiner Kundin fertig war, konnte er sich immer noch um ihre Bedürfnisse kümmern. Das war einer der Vorzüge von Vampiren: Sie hielten tatsächlich die ganze Nacht durch. Ein weiterer war, dass sie sich weder mit Geschlechtskrankheiten infizieren noch sie weitergeben konnten. Ricco könnte sie nicht einmal schwängern. Und wenn sie genug hatte, würde sie einfach gehen und ihn erst wiedersehen, wenn sie ihn das nächste Mal brauchte – in vier Wochen. Kurz: Er entsprach exakt ihrer Vorstellung vom idealen Partner.
Lexi zeigte hinter sich. »Ich warte in der Lounge.«
Die Frau nickte. »Ich schicke nach dir, wenn er so weit ist.«
»Danke.« Lexi ging. An jedem anderen Abend wäre sie jetzt wieder nach Hause gefahren. Sie hasste es, zu warten, und sie war müde. Aber der verdammte Unsterbliche hatte sie derart durcheinandergebracht, dass sie schreien wollte.
Sie marschierte in die kleine Lounge zurück und blickte sich um. Es gab eine Couch an der einen und mehrere Sessel an der anderen Wand. Dieser Bereich gehörte nicht zur Bar, sondern war explizit den Gästen vorbehalten, die auf ein freies Hinterzimmer warteten.
Während sie noch überlegte, ob und wo sie sich hinsetzen sollte, vernahm sie eine vertraute Stimme. »Hallo, Lexi, wie geht’s dir?«
»Derrick.« Sie nickte ihrem Schwager zu, der auf der Couch saß. »Was machst du hier?« Erst als er nicht gleich antwortete, begriff sie, wie blöd die Frage war. »Entschuldige«, sagte sie hastig, »das geht mich wirklich nichts an.«
Er rutschte zur Seite, um ihr Platz zu machen, und sie setzte sich zu ihm, wenngleich ihr dabei ganz und gar nicht wohl war. Seit der Beerdigung ihrer Schwester hatte sie ihn höchstens fünfmal gesehen, und ihr war klar, dass es für ihn sehr schwierig sein musste, auch nur in ihrer Nähe zu sein. Lexi und ihre Schwester waren eineiige Zwillinge gewesen. Entsprechend sah er jedes Mal, wenn er sie ansah, auch die Ehefrau, die er umgebracht hatte.
Unsicher rutschte sie ein wenig weiter von ihm weg. Sie
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