George, Elizabeth
die Besucher des Einkaufszentrums
identifizierbar gemacht, die ihn auf den Überwachungsvideos erkannten, sondern
auch für die Bewohner seines Viertels. Innerhalb kürzester Zeit versammelte sich
ein aufgebrachter Mob vor dem Haus der Spargos. Sechsunddreißig Stunden später
wurde daher die gesamte Familie unter anderem Namen in einen anderen Stadtteil
umgesiedelt (und nach dem Prozess in einen anderen Teil des Landes). Als die
Polizei Reggie Arnold und lan Barker abholte, hatte dies dieselben
Konsequenzen, woraufhin auch ihre Familien umgesiedelt wurden. Die Einzige aus
den betroffenen Familien, die sich in den folgenden Jahren gegenüber der
Presse äußerte, war Tricia Barker, die sich energisch weigerte, einen anderen
Namen anzunehmen. Es wird vermutet, dass sich ihre Kooperation aus der Hoffnung
speiste, eine gewisse Berühmtheit zu erlangen und im Reality-TV auftreten zu
können.
Die stundenlangen Verhöre der
drei Jungen im Lauf der folgenden Tage enthüllen außergewöhnlich viel über ihre
Psychopathologie und über die Dysfunktion der jeweiligen Familien.
Oberflächlich betrachtet, stammte Reggie Arnold von allen drei Jungen aus dem
stabilsten Elternhaus, denn bei allen Verhören waren neben dem verhörenden
Detective und einer Sozialarbeiterin sowohl Rudy als auch Laura Arnold
anwesend. Aber ich möchte daran erinnern, dass Reggie nach Aussage seiner
Lehrer die deutlichsten Symptome von innerem Gefühlschaos erkennen ließ; die
Wutausbrüche, die Hysterie und die selbstzerstörerischen Neigungen, die auch
sein schulisches Verhalten charakterisierten, traten im Verlauf der Verhöre
umso stärker in den Vordergrund, je deutlicher ihm bewusst wurde, dass die
Manipulationsversuche, mit denen er sich in der Vergangenheit aus Schwierigkeiten
hatte herauswinden können, in der Verhörsituation nichts fruchteten.
In den Tonbandaufnahmen hört
man ihn zunächst schmeicheln und betteln. Dann beginnt er zu wimmern. Sein
Vater ermahnt ihn, sich aufrecht hinzusetzen und sich »wie ein Mann, nicht wie
ein Waschlappen« zu benehmen, während seine Mutter unter Tränen jammert: »Was
tust du uns nur an!« Die Sorge der Eltern galt immer nur sich selbst: welche
Auswirkungen Reggies Situation auf sie beide haben würde. Offenbar blendeten
sie nicht nur die Schwere des Verbrechens aus, das Gegenstand des Verhörs war,
sowie die Frage, was dieses Verbrechen über die Psyche ihres Sohnes aussagte,
sondern auch das, was ihm bevorstand.
Einmal sagte Laura zu ihm, sie
könne »hier nicht den ganzen Tag rumsitzen, während du Rotz und Wasser heulst,
Reg«, schließlich müsse sie nach Reggies »Bruder und Schwester sehen, kapierst
du das nicht? Was glaubst du denn, wer sich um die zwei kümmert, während ich
hier bei dir rumsitze? Während dein Vater bei dir rumsitzt?« Noch bedrückender
ist, dass beide Eltern anscheinend nicht bemerkten, wie das Verhör sich auf
das Dawkins-Gelände und auf John Dressers Leiche zu konzentrieren begann und
darauf, was sich aus den am Tatort gefundenen Beweisstücken in Bezug auf John
Dressers Schicksal schließen ließ.
Reggies Verhalten eskalierte;
selbst wiederholte Pausen und Interventionen durch die Sozialarbeiterin
vermochten ihn nicht mehr zu beruhigen. Obwohl inzwischen eindeutig klar war,
dass er höchstwahrscheinlich in irgendetwas Grauenhaftes verwickelt war,
nahmen seine Eltern dies nicht zur Kenntnis, sondern versuchten weiterhin, ihn
zu einem Verhalten zu bewegen, das sie billigen konnten. Wir haben es hier mit
einem typischen Fall narzisstischer Elternschaft zu tun, und Reggie ist ein
Beispiel dafür, welche extremen Auswirkungen eine solche Art von Erziehung auf
ein Kind haben kann.
Ian Barker befand sich in
einer ähnlichen Situation wie Reggie, blieb jedoch die ganze Zeit über stoisch.
Erst anhand von Zeichnungen, die er später während seiner Sitzungen bei einem
Kinderpsychiater anfertigte, wurde seine Beteiligung an dem Verbrechen in
vollem Ausmaß deutlich. Während der Verhöre jedoch blieb er selbst dann noch
bei seiner Version, »nichts von einem Baby« zu wissen, als er mit den Bildern
der Überwachungskameras und den Aussagen der Zeugen konfrontiert wurde, die
ihn zusammen mit den anderen Jungen und John Dresser gesehen hatten.
Im Verlauf des Verhörs brach
seine Großmutter immer wieder in Tränen aus. Auf dem Tonbandmitschnitt ist zu
hören, wie ihr Schluchzen in Abständen zunimmt und die Sozialarbeiterin
vergeblich versucht, sie zu beruhigen. Ihre einzige
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