George, Elizabeth
so kurzen Nacht
verdient, dachte sie, und außerdem redete sie sich ein, dass das Koffein den
Whisky ausgleichen würde. Sie leerte die Tasse in einem Zug. Dann steckte sie
vier Fläschchen Wodka in die Handtasche. Wahrscheinlich würde sie sie nicht
brauchen, sagte sie sich, aber wenn doch, würde das bisschen Wodka ihr helfen,
einen klaren Kopf zu bekommen, falls sie im Lauf des Tages schlappmachen
sollte.
Als Erstes schaute sie im
Besprechungsraum vorbei. Sie wies Philip Haie an, den Kollegen im
St.-Thomas-Krankenhaus abzulösen. Sein verblüfftes Gesicht sagte ihr, dass man
ihm als Detective Inspector keine Aufgaben zuteilen sollte, die auch ein einfacher
Constable übernehmen konnte, dass dies eine Vergeudung von Arbeitskraft war.
Sie wartete darauf, dass er es aussprach, doch er holte tief Luft und sagte nur
höflich: »Chefin.« Aber John Stewart sprang für ihn in die Bresche und sagte:
»Also, bei allem Respekt, Chefin...«, auch wenn die Solidarität geheuchelt war,
wie Isabelle wusste.
»Was?«, fauchte sie, woraufhin
er erklärte, einen Detective Inspector als eine Art einköpfigen Zerberus im
Krankenhaus zu postieren, anstatt ihn die ihm zugeteilten Aufgaben erledigen zu
lassen - die Überprüfung sämtlicher verdächtigen Personen, eine Heidenarbeit
übrigens -, sei kein sinnvoller Einsatz von Philips Fachkompetenz. Sie
entgegnete, sie benötige seine Ratschläge nicht. »Rufen Sie im Labor an, und
machen Sie denen Dampf. Warum dauert die Analyse der Haare, die an der Leiche
gefunden wurden, so lange? Und wo zum Teufel steckt DI Lynley?«
Er sei zu Hillier gerufen
worden, teilte man ihr mit. Die Information kam von Stewart, und er machte ein
Gesicht, als wäre es ihm ein ganz besonderes Vergnügen, derjenige zu sein, der
sie ihr überbrachte.
Unter anderen Umständen hätte
sie ihr Treffen mit Hillier vielleicht noch aufgeschoben, aber da Lynley
bereits bei ihm war und zweifellos seine eigene Darstellung der Vorkommnisse
des vergangenen Tages an den Mann brachte, blieb ihr nichts anderes übrig, als
sich sofort zum Zimmer des Assistant Commissioner zu begeben. Eine kleine
Stärkung verkniff sie sich. Lynleys unverschämte Frage über ihre
Trinkgewohnheiten nagte noch immer an ihr.
Sie begegnete ihm auf dem Flur
vor Hilliers Zimmer. »Sie sehen aus, als hätten Sie nicht geschlafen«, sagte
er.
Sie berichtete ihm, dass sie
noch einmal ins Krankenhaus gefahren sei und die halbe Nacht dort verbracht
habe. »Wie hat er reagiert?«, fragte sie dann mit einer Kopfbewegung auf die
Tür zu Hilliers Vorzimmer.
»Wie erwartet. Das mit
Matsumoto hätte besser laufen können. Er will wissen, warum das nicht passiert
ist.«
»Betrachtet er das als Ihre
Aufgabe, Thomas?«
»Was?«
»Derlei Schlüsse zu ziehen.
Berichte über meine Leistungen abzuliefern. Den Schnüffler für ihn zu spielen.
Wie auch immer Sie es nennen wollen.«
Lynley sah sie auf eine Weise
an, die sie irritierte. Nicht lüstern. Damit hätte sie umgehen können.
Vielmehr war sein Blick unerträglich liebenswürdig. »Ich stehe auf Ihrer Seite,
Isabelle.«
»Wirklich?«
»Ja. Er hat Ihnen diese
Ermittlung aufgehalst, weil er von oben unter Druck gesetzt wird, einen
Nachfolger für Malcolm Webberly zu finden, und er will wissen, wie Sie Ihre
Sache machen. Aber wie er reagiert, hat nur zum Teil mit Ihnen zu tun. Der
Rest ist Politik. Und die betrifft den Commissioner, das Innenministerium und
die Presse. Er gerät ebenso unter Beschuss wie Sie.«
»Ich habe keine
Fehlentscheidung getroffen. Die Situation gestern wurde nicht falsch
gehandhabt.«
»Ich habe Hillier gegenüber
nichts dergleichen behauptet. Der Mann ist in Panik geraten. Niemand weiß,
warum.«
»Das haben Sie ihm gesagt?«
»Das habe ich ihm gesagt.«
»Wenn Philip Haie nicht...«
»Werfen Sie Philip nicht den
Haien vor. So etwas fällt nur auf Sie zurück. Sie sollten sich auf den
Standpunkt stellen, dass niemanden eine Schuld trifft. Damit fahren Sie auf
Dauer am besten.«
Sie dachte darüber nach. »Ist
er allein?«
»Als ich bei ihm war, war er
das. Aber er hat Stephenson Deacon zu sich rufen lassen. Sie brauchen ein
Briefing, und die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit will es so bald wie
möglich, das heißt: noch heute.«
Isabelle wünschte sich, sie
hätte wenigstens eines ihrer Wodkafläschchen geleert. Es war nicht abzusehen,
wie lange das Gespräch mit Hillier dauern würde. Doch dann sagte sie sich,
dass sie es schon überstehen würde. Hier ging es
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