Georgette Heyer
abzulenken, und es täte ihm wirklich leid. Er
versicherte mir, daß ich mich auf ihn verlassen könne und daß er, wenn nötig,
hundert Gründe erfinden werde, warum sein Vorschlag nicht ausgeführt werden
kann. Er benahm sich korrekt – was er eigentlich immer war.»
Sie waren
bei den Ställen angekommen und schieden nach diesem unpersönlichen Gespräch.
Mrs. Chartley wartete nur, bis Ancilla das Gig bestiegen hatte, und ging den
Gartenweg zurück zum Haus.
Ancilla
fuhr aus dem Stallhof hinaus auf die Dorfstraße. Ehe das Pferd noch richtig ins
Traben kam, schwenkte aus der Kurve vor ihr ein Phaeton mit einem Gespann von
vier kastanienbraunen Hengsten. Da Miss Trent noch in Sichtweite des
Pfarrhauses war, sah sie mit Angst, daß Sir Waldo sein Gespann anhielt,
offensichtlich in der Absicht, neben dem Gig herzutraben. Sie konnte nichts
tun, als ruhig weiterfahren, denn das Pferdchen anzutreiben wäre so unhöflich
gewesen, daß Sir Waldo glauben mußte, sie wolle einer Begegnung ausweichen.
Im nächsten
Augenblick hielt der Phaeton so knapp neben ihrem Gig, daß die Räder sich
ineinander verkeilt hätten, wäre Sir Waldo nicht ein Meisterfahrer gewesen.
Schon sprang der Groom vom Hintersitz zu den Köpfen der Pferde, Sir Waldo
lüftete den Hut und lächelte sie an.
«Guten
Morgen, Ma'am! Ich bin unter einem glücklichen Stern geboren! Einen Augenblick
früher, und ich hätte Sie verfehlt. Ich habe mich die letzte Woche sehr
unglücklich gefühlt, wissen Sie das?»
Sie
antwortete so leichthin, als es ihr möglich war: «Auch die arme Charlotte! Sind
Sie auf dem Weg nach Leeds?»
«Ja, haben
Sie Aufträge für mich?»
«Nein,
danke, keine. Aber ich darf Sie nicht aufhalten.»
«Ich habe
den Eindruck, daß ich Sie aufhalte», sagte er neckend.
Sie
lächelte und sagte: «Nun, keinesfalls darf ich verweilen. Ich war bei Mrs.
Chartley und habe mich länger aufgehalten, als ich beabsichtigte. Und Sie
haben, wie ich annehme, viel in Leeds zu tun?»
«Nicht sehr
viel. Ich bin glücklich, sagen zu können, daß meine Angelegenheiten dem Ende
entgegengehen.»
«Sie haben
sicher schon genug davon. Sind die Maurer fertig?»
«Nein, noch
nicht. Ich ließ größere Umbauten vornehmen.»
Sie lachte.
«Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Sir Waldo. Ihre Umbauten sind der
Gegenstand größten Interesses in der Nachbarschaft, das können Sie mir
glauben!»
«Ja, ich
habe davon gehört. Es wird spekuliert, nicht wahr? Ich hätte mir nicht
einbilden sollen, daß niemand sich darum kümmern wird, was ich mit dem Haus
mache. Denn man weiß, daß ich mein eigenes Landhaus habe. Das rege Interesse
der Nachbarn ist bald eine der guten, und bald eine der schlechten Seiten des
Landlebens.»
«Sehr wahr.
Und vergessen Sie nicht, Sie sind ein außerordentlich interessanter Nachbar in
diesem verlassenen Nest! Außerdem haben Sie die Neugier künstlich genährt, weil
Sie nicht verraten haben, ob Sie Broom Hall verkaufen oder es behalten wollen,
um während der Yorkshire-Rennen dort zu wohnen. Und dieses Schweigen legt man
dahin aus, daß die Umbauten einen mysteriösen Zweck haben, den bekanntzugeben
Sie scheuen.»
Sie sprach
in neckendem Ton und war überrascht, daß er zwar lächelte, aber mit
nachdenklicher Miene. «Ja, ich fürchte ihn bekanntzugeben. Meine Zwecke werden
bekanntwerden, aber ich möchte sie, solange ich im Bezirk bleibe,
geheimhalten.»
Sie sagte:
«Ich wollte Sie nur necken und mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen.»
«Das weiß
ich. Aber ich habe die beste Absicht, Miss Trent, mein Herz Ihnen gegenüber zu
erleichtern. Ich fürchte, daß die meisten meiner Nachbarn mein Tun mit
Mißvergnügen betrachten werden, aber ich hoffe, daß Ihre Stimme nicht in deren
Chor einstimmen wird. Sie sind zu freisinnig. Ich werde mir die Ehre geben, Sie
in nächster Zukunft zu besuchen – wie ich Ihnen schon vor einer Ewigkeit angedeutet
habe.»
Sie konnte
nicht glauben, daß das die Worte eines Mannes seien, der nur eine Tändelei im
Sinne hatte; dennoch fühlte sie sich verpflichtet, ihm zu widersprechen.
«Ich werde
mich sehr freuen – aber ich glaube – Sir Waldo, Mrs.
Underhill
wird mit Charlotte nach Bridlington fahren und wird eine Woche ausbleiben –
oder noch länger ...»
Er gab dem
Groom ein Zeichen und sagte mit seinem leuchtenden Lächeln, während er die Zügel
anzog: «Das weiß ich. Wenigstens werde ich Sie dann allein haben!»
15
Miss Trent fuhr heim, sie machte sich
keine Gedanken, ob
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