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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junggesellentage
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zögerte sie nicht mehr, mit
ihm Walzer zu tanzen. Er führte sie auch zu Tisch. Und als sie in den Garten
gingen, um das Feuerwerk zu sehen, war er es, der ihren Schal holte und ihr ihn
um die Schulter legte. Sie war so unbekümmert, verloren in eine Verzauberung,
daß sie nicht darüber nachdachte, was die Matronen von ihr hielten, die sie
eifersüchtig beobachteten. Um so mehr erschrak sie über eine beißende Bemerkung
Mrs. Banninghams, aus der sie erkannte, daß diese und andere Damen meinten, sie
werfe ihre Netze nach dem Unvergleichlichen aus. Obwohl sie ihre Gehässigkeit
klar erkannte, wäre sie am liebsten in den Erdboden versunken. Und als Mrs.
Colebatch lächelnd zu ihr sagte: «Dieser gefährliche Flirt mit Sir Waldo –
pfui, Miss Trent!», war ihr Vergnügen zu Ende, und Angst und Zweifel überfielen
sie.
    Daß sie
keinerlei Erfahrung in Liebesdingen hatte, wußte sie, nahm aber das Gegenteil
von Sir Waldo an. Es stand außer Frage, daß sie ihm gefiel, aber ob er mehr als
einen Flirt im Sinne hatte, wußte sie nicht. Wenn ihre Augen sich begegneten
und er lächelte, dachte sie: So könnte er nicht blicken und lächeln, wenn er
nicht mehr fühlte als eine vorübergehende Laune. Dann aber hielt sie sich vor,
daß sie nicht die einzige Frau sei, die er mit seinem Lächeln entzückte. Ob sie
sich nicht bloß einbildete, daß sie allein dieses gewisse Lächeln bemerkt
hatte? Das Gerücht ging, daß er schon viele Liebesaffären gehabt hatte; ein
Salonlöwe mußte wohl die Gabe haben, eine Dame glauben zu machen, daß er in
sie sehr verliebt sei.
    Fast ebenso
schmerzlich wie diese Zweifel war der Gedanke, daß sie durch ihre freundliche
Haltung dem Unvergleichlichen gegenüber nun selbst die Nachbarschaft in Unruhe
versetzte, sie, die Tiffany immer höchste Sittsamkeit gepredigt hatte. Ihr
Benehmen war sicher sehr schlecht, dachte sie, denn selbst Courtenay machte
grinsend die Bemerkung: «Herrgott, Ma'am, wird Tiffany fuchsteufelswild
werden, wenn sie sieht, wie Sir Waldo sich um Sie bemüht!»
    Aber
Tiffany wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß irgendein Mann – am wenigsten
einer von Sir Waldos Format – die kleinste Schwäche für eine Gouvernante haben
könnte. Als man über den Ball sprach, bemerkte sie ganz nebenbei, daß Sir Waldo
zwei Walzer mit Miss Trent getanzt habe, und verriet – als guten Witz –, daß
einige der älteren Damen sich daran gestoßen hätten, weil sie fanden, daß er
ihr nachlaufe. «Sie und Sir Waldo, Ancilla!» gluckste sie. «Ich habe fast einen
Lachkrampf bekommen, wie Sie sich denken können. Wie absurd!»
    «Ich halte
das nicht für so absurd», stellte Charlotte kampfbereit fest. «Bei weitem nicht
so absurd, wie wenn jemand annähme, er laufe dir nach! Ich glaube, du
bist eifersüchtig, weil er dich nicht vor allen anderen aufgefordert hat.»
    «Oh, das
konnte er nicht», sagte Tiffany mit einem herausfordernden Blick. «Mr. Calver
war vor ihm da! Er mußte auf den zweiten Walzer warten und der arme Lindeth auf
den dritten!»
    Miss Trent
blickte sie einen Moment gedankenvoll an, ehe sie den Blick auf das Taschentuch
senkte, das sie säumte. Sie war auf dem Ball nicht so sehr mit ihren eigenen
Angelegenheiten befaßt gewesen, daß sie nicht auch auf Tiffanys Benehmen hätte
achten können. Sie kannte Tiffanys Art, jeden ihrer Bewunderer, der sich ihr
Mißfallen zugezogen hatte, zu bestrafen und immer mehr zu versklaven. Sie war
daher nicht überrascht, als sie Tiffany inmitten ihrer Bewunderer, die die
Augen nach ihr verdrehten, Mr. Calver schmelzende Blicke zuwerfen und Lindeth
mit unbekümmerter Gleichgültigkeit behandeln sah. Miss Trent war mehr amüsiert
als schockiert, denn sie dachte, daß diese Taktik Tiffanys große Jugend
verriet. Diese Taktik konnte sie erfolgreich bei grünen Jungen anwenden, aber
Lord Lindeth mußte sie nur mit Abscheu erfüllen. Sie hoffte es – aber sie
hoffte auch, daß diese Taktik für andere nicht so augenfällig gewesen wäre wie
für sie.
    Eine Person
täuschte sie nicht: Laurence Calvers Verstand war nicht überragend, aber er
hatte eine gewisse Gewandtheit der Wahrnehmung und ein ausgesprochenes Talent,
Skandale und Schwächen zu entdecken. Als er auf den Ball ging, vermutete er,
daß sein Cousin Lindeth sich für die unbekannte Schöne sehr interessiere, und
es dauerte nicht lange, bis er erkannte oder zu erkennen glaubte, daß ein
Mißverständnis diese zweifellos vielversprechende Affäre zu zerstören drohte.
Das

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