Georgette Heyer
ernst meint, wäre mir nichts
willkommener, als sie so gut verheiratet zu sehen. Aber wenn sie auch der
Herkunft nach nicht ungleich sind, sind sie es doch in den Verhältnissen.
Patience ist keine reiche Erbin. Sie wird ihre viertausend Pfund mitbekommen –
was eine respektable Summe ist –, aber vielleicht von Lindeth' Familie als
erbärmlich wenig angesehen wird. Aus Bemerkungen, die er über sein Mißfallen an
den Parties der High Society fallenließ, das seine Mutter zur Verzweiflung
treibt – Sie kennen seine scherzhafte Art –, fürchte ich, daß seine Familie
für ihn eine sogenannte blendende Partie wünscht und sich vielleicht seiner Ehe
mit der Tochter eines Landgeistlichen widersetzen wird.»
Sie machte
eine Pause und rückte mechanisch das Buch, das auf dem Tischchen neben ihrem
Ellbogen lag, zur Seite.
«Ich habe
geglaubt, daß Sir Waldo sein Vormund sei, aber wie ich höre, ist das nicht der
Fall. Trotzdem kann kaum ein Zweifel bestehen, daß dieser eine ähnliche
Stellung einnimmt, und daß sein Einfluß auf Lindeth groß ist. Das ist es nun,
meine Liebe, warum ich so gerne mit Ihnen sprechen wollte. Wenn zu befürchten
ist, daß Sir Waldo die Heirat verhindern möchte, würde ich unter keinen
Umständen erlauben, daß Lindeth uns wie bisher besucht. Weder der Rektor noch
ich würden diese Verbindung unterstützen, fehlte ihr die Zustimmung seiner
Familie. Jetzt werden Sie verstehen, meine Liebe, warum ich in Verlegenheit bin
und warum ich mich entschlossen habe, Sie ins Vertrauen zu ziehen. Sagen Sie
mir, wie denkt Sir Waldo darüber?»
Miss Trent
fühlte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoß, doch sie antwortete mit fester
Stimme: «Ihr Vertrauen ehrt mich, Ma'am, aber Sir Waldo hat mir nicht das seine
geschenkt. Ich wollte, ich könnte Ihnen helfen, aber das steht nicht in meiner
Macht.»
Mrs.
Chartley hob die Augen, um einen skeptischen Blick auf ihre Besucherin zu
richten. «Wenn dem so ist, ist natürlich weiter nichts zu sagen. Ich habe
gewagt, die Frage an Sie zu richten, weil ich weiß, daß Sie weit besser mit ihm
bekannt sind als irgend jemand in dieser Gegend.»
Es gab
einige Minuten des Schweigens. Dann atmete Miss Trent tief auf und sagte: «Ich
mußte viel in seiner Gesellschaft sein, Ma'am, aber ich bin nicht so intim mit
ihm, wie Sie glauben.» Es gelang ihr zu lächeln. «Nun werde ich für meine
Sünden bestraft! Ich habe mich überreden lassen, Lady Colebatch' Einladung
anzunehmen, und war so unvorsichtig, zweimal mit Sir Waldo Walzer zu tanzen.
Ich muß es bereuen. Ich fürchte, die Freude, wieder einmal zu tanzen, stieg mir
zu Kopf.»
Mrs.
Chartleys Gesicht wurde weich. Sie neigte sich zu Ancilla und umschloß ihre
Hand.
«Kein
Wunder! Ich verstehe Sie vollkommen. Aber – meine Liebe, darf ich offen mit
Ihnen reden? Sie sind, trotz Ihres nüchternen Gehabens, eine junge Frau, und
Sie haben nicht Ihre Mutter hier, um Sie zu beraten. Ich habe Sie sehr gerne,
und deshalb müssen Sie mir verzeihen, wenn ich mir offenbar zuviel herausnehme.
Ich habe ein wenig Angst um Sie, weil ich fürchte, daß Sie Hoffnungen hegen,
die kaum in Erfüllung gehen können. Glauben Sie nicht, daß ich Sie tadle. Sir
Waldos Aufmerksamkeit für Sie wurde beobachtet, es ist allgemein bekannt, daß
kein Tag seit Charlottes Erkrankung vergangen ist, ohne daß er in Staples
vorgesprochen hat.»
«Um sich
nach dem Fortschritt ihrer Genesung zu erkundigen und um ihr etwas
mitzubringen, was ihre Gedanken ablenken könnte», antwortete Ancilla mit
zugeschnürter Kehle.
«Meine
Liebe!» wehrte Mrs. Chartley mit kurzem Lachen ab. «Ma'am, ich habe ihn immer
nur in Gesellschaft gesehen!»
«Wenn Sie
es sagen, glaube ich es – aber man wird schwer andere davon überzeugen können.»
«Das sehe
ich», sagte Ancilla bitter. «Man glaubt, daß ich mein Netz nach ihm auswerfe,
nicht wahr?»
«Gehen wir
auf diese boshaften Anspielungen nicht ein! Es ist keinesfalls meine Meinung.
Mich stört nur, daß er Ihnen nachstellt. Wenn es nicht Sir Waldo, sondern ein
anderer Mann wäre, wüßte ich, daß es eine ehrliche Werbung ist, und ich hätte
täglich darauf gewartet, Ihnen Glück zu wünschen. Sie können doch vor mir nicht
so tun, als wäre er Ihnen gleichgültig! Das überrascht mich keineswegs, denn
ich glaube, daß es nur wenige standhafte Frauen gibt, die ihm widerstehen
können. Selbst ich – und wie Sie wissen, gibt er sich keine Mühe bei mir – bin
mir seines Charmes wohl bewußt. Ich finde ihn
Weitere Kostenlose Bücher