Gequält
Tür. Die Frau klopfte und öffnete dann vorsichtig.
»Anders Malmberg«, sagte sie.
»Ah, sehr gut.«
Der Polizist in Zivil erhob sich von seinem Schreibtisch, trat auf Anders zu und gab ihm die Hand. Es war derselbe Ermittler, der ihn im Krankenhaus besucht und ihm das Foto von Mattias Svensson gezeigt hatte.
»Wie geht es Ihrer Hand?«
Anders betrachtete sie.
»Danke, besser.«
»Gut, gut. Setzen Sie sich bitte.«
Anders nahm auf dem Besucherstuhl Platz, und der Beamte setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch.
»Danke übrigens, dass Sie so rasch kommen konnten. Das wissen wir zu schätzen. Es geht um Folgendes: Erinnern Sie sich noch an das Foto, das ich Ihnen gezeigt habe?«
Anders antwortete nicht. Er wusste nicht, was er tun, was er sagen sollte. Er hatte sich noch nicht entschieden. Der Polizist wartete mit hochgezogenen Augenbrauen. Anders nickte.
»Sie erinnern sich? Gut. Ich habe gerade von meinen Kollegen in Kopenhagen erfahren, dass dieser Mann in einem Hotel tot aufgefunden wurde. Erschossen. Offenbar bei einer Auseinandersetzung unter Kriminellen.«
Anders starrte mit leerem Blick vor sich hin.
»Mattias Svensson … ist tot?«
Der Beamte faltete vor sich auf dem Tisch die Hände.
»Leider, ja«, sagte er, ohne größere Trauer erkennen zu lassen.
Ein Zucken huschte über Anders’ Gesicht, er blinzelte heftig, sein Brustkorb hob und senkte sich, und er hielt die Hand vor den Mund, um ein Würgen zu unterdrücken. Zu spät streckte der Polizist die Hand nach einem Abfalleimer aus. Das Erbrochene landete in drei Schwalls auf dem Fußboden, dann war der Magen leer. Trotzdem umklammerte Anders weiter den Plastikeimer wie ein kleiner Junge.
»Machen Sie sich erst einmal frisch. Ich besorge Ihnen eine Zahnbürste.«
Der Beamte nahm den Papierkorb und führte Anders zu einer Toilette. Anders wusch sich das Gesicht, spülte sich den Mund aus und trank fast einen halben Liter Wasser. Er putzte sich die Zähne und kehrte dann in das Büro zurück. Das Fenster stand offen, aber es roch trotzdem schwach nach Erbrochenem.
»Entschuldigen Sie.«
»Kein Problem. Das kommt vor. Bitte nehmen Sie Platz.«
Anders folgte der Aufforderung, und der Polizist lächelte freundlich.
»Können wir weitermachen?«
Anders nickte.
»Gut. Wie Sie wissen, hat Ihr Fall für Aufmerksamkeit gesorgt. Ein misshandelter, mundtot gemachter Journalist ist ein Angriff auf die Rechtssicherheit. Daher stehen uns einige Mittel zur Verfügung, den Mann dingfest zu machen, der in Ihre Wohnung eingedrungen ist. Zwei voneinander unabhängige Zeugen haben Mattias Svensson zum fraglichen Zeitpunkt vor Ihrem Haus gesehen. Ich weiß, dass ich Sie das schon früher gefragt habe, aber ich tue es jetzt noch einmal: Hat Mattias Svensson Sie misshandelt?«
Anders’ Kinn zitterte. Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her, und seine unverletzte Hand schwebte vor seinem Gesicht.
»Wenn Sie darauf beharren, dass es sich bei dem Täter nicht um Mattias Svensson handelte, werde ich meine Jagd auf den Mann, der Sie misshandelt hat, fortsetzen. Es ist wichtig, dass dieser Fall gelöst wird. Nicht zuletzt, weil uns Ihre Kollegen unter Druck setzen und kritisieren. Das verstehen Sie doch sicher.«
Anders saß wie erstarrt da. Der Beamte musterte ihn.
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Hat Mattias Svensson Sie in Ihrer Wohnung misshandelt?«
»Ja«, sagte Anders leise und räusperte sich.
»Sie haben das bislang verneint.«
»Er sagte, er würde … Ich wollte das Ganze nur hinter mich bringen.«
Er sah den Beamten flehend an, der nicht sonderlich beeindruckt wirkte. Im Gegenteil. Sein Mitgefühl wich amüsierter Verachtung. Er lehnte sich mit lässig entspannten Armen auf den Armlehnen zurück.
»Er hat mir die Finger gebrochen«, sagte Anders und lehnte sich auf Mitleid hoffend vor. »Er hat mir gedroht, wiederzukommen, wenn ich etwas erzähle.«
Der Polizist schwieg. Anders fasste sich mit seiner unverletzten Hand an die Brust.
»Verstehen Sie? Er hat gedroht, mich zu töten.«
72
Es war außerordentlich ermüdend. Trotzdem blieb Sara brav sitzen und erzählte. Die Beamten hörten ihr nicht zu, sie sahen sie verächtlich an, verschränkten die Arme und verdrehten die Augen, wie alberne kleine Schulmädchen.
»Ihr Freund ist tot, aber das scheint Sie nicht übertrieben traurig zu stimmen. Wie kommt das?«
»Mattias Svensson war nicht mein Freund. Er war Geschäftsführer eines meiner Clubs, und es kam vor,
Weitere Kostenlose Bücher