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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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bei jungen Männern üblich ist. Hyazinth mußte warnen, und als der Junge, betroffen von diesem uneingestandenen Aberglauben und an seine eigenen unvernünftigen, schmerzlichen Erlebnisse erinnert, heftig ablehnte, war Tonka ein «pflichtvergessenes Mädchen» genannt worden, das den Frieden einer Familie nicht achtete, und linkische Anspielungen auf «sinnliche Künste», mit denen sie ihn «in Banden halte», kamen mit der ganzen Lebensunerfahrenheit der anständigen Mütter zutage. – Sie hatten auch jetzt durch die Antwort geblickt, die er erhielt, als ob jeder Pfennig, solange er ihn mit Tonka verband, nur seinem Unglück dienen würde. Da entschloß er sich, noch einmal zu schreiben und sich als Vater von Tonkas Kind zu bekennen.
    Als Antwort kam seine Mutter selbst.
    Sie kam, «um die Verhältnisse zu ordnen».
    Sie betrat nicht seine Wohnung, als müßte sie fürchten, dort auf Unerträgliches zu stoßen, und beschied ihn ins Hotel. Eine leichte Verlegenheit hatte sie mit Pflichtbewußtsein abgeschüttelt und sprach von der großen Sorge, die er ihnen bereite, von der Gefahr für das Leiden seines Vaters und von Fesseln fürs Leben; ungeschickt durchtrieben zog sie alle Bälge des Gemüts, aber ein Ton der Nachsicht, der dabei nicht von den Worten wich, bewahrte ihr die mißtrauische Neugierde ihres von der durchschauten Herzenslist gelangweilten Zuhörers. «Denn», sagte sie, «es könnte dieser Unglücksfall ja geradezu noch zum Glück ausschlagen, und man wäre dann» – sagte sie – «mit dem Schreck davongekommen: es gelte nur, die Zukunft vor der Wiederkehr solcher Ereignisse zu schützen!» Sie habe deshalb den Vater trotz aller Schwierigkeiten bewogen, eine gewisse Summe zu opfern. Man werde damit, eröffnete sie wie eine große Güte, das Mädchen samt den Ansprüchen des Kindes abfinden.
    Zu ihrer eigenen Überraschung fragte ihr Sohn ruhig nach der Höhe des Angebots, hörte es sich an, schüttelte dann noch ruhiger den Kopf und sagte bloß: «Es geht nicht.»
    Von Hoffnung befeuert, erwiderte sie: «Es muß gehen! Sei nicht verblendet; viele junge Leute machen ähnliche Dummheiten, aber sie lassen es sich gesagt sein. Es ist gerade jetzt eine gute Gelegenheit, dich frei zu machen, lasse sie nicht aus falschem Ehrgefühl ungenützt, du schuldest es dir und uns!»
    «Wieso eine gute Gelegenheit?»
    «Gewiß. Das Mädchen wird vernünftiger sein als du; es wird wissen, daß man solche Verhältnisse immer löst, wenn ein Kind da ist.»
    Da verschob er die Antwort auf den nächsten Tag. Es hatte etwas in ihm gezündet.
    Seine Mutter, die Ärzte mit dem Lächeln der Vernunft, das glatte Laufen der Untergrundbahn am Weg zu Tonka, der Schutzmann mit den festen, das Chaos regelnden Gebärden, der donnernde Wasserfall der Stadt: das war alles eins; er stand in dem einsamen Hohlraum darunter – unbenetzt, aber abgeschnitten.
    Er fragte Tonka, ob sie es tun würde.
    Tonka sagte: Ja. Fürchterlich zweideutig war dieses Ja. So vernünftig, wie die Mutter es vorausgesagt hatte, aber um den Mund, der es sprach, zuckte die Verwirrung.
    Da sagte er seiner Mutter ungefragt am nächsten Tag ins Gesicht, daß er vielleicht gar nicht der Vater von Tonkas Kind sei, daß Tonka krank sei, aber daß er sich trotzdem eher selbst für krank und den Vater halten wolle, als Tonka verlassen.
    Es lächelte seine Mutter machtlos vor so viel Verblendung, sah ihn zärtlich an und ging. Er wußte, sie hatte nun den großen Schwung erhalten, ihr Fleisch und Blut vor dem Makel zu schützen, und ein mächtiger Feind war ihm verbündet.
VIII
    Endlich verlor Tonka ihre Stellung; es hatte ihn fast schon beunruhigt, daß dieses Unglück solang nicht gekommen war. Der Geschäftsmann, bei dem Tonka diente, war ein kleiner, häßlicher Mensch, aber in ihrer Not war er ihnen wie eine übermenschliche Macht erschienen. Wochenlang hatten sie beratschlagt; er muß alles schon wissen, aber er ist doch ein anständiger Kerl, der nicht eigens noch stößt, wenn eins im Unglück ist; dann wieder: er merkt es nicht; Gott sei Dank, er hat es überhaupt noch nicht bemerkt! Aber eines Tages wurde Tonka ins Kontor gerufen und rund heraus gefragt, wie es mit ihr stünde. Sie brachte keine Antwort hervor, bloß die Tränen traten ihr in die Augen. Und den vernünftigen Mann rührte es nicht, daß sie nicht sprechen konnte; er zahlte ihr den Gehalt für einen Monat aus und entließ sie auf der Stelle. So böse war er geworden, daß er donnerte, er sei

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